Thyssenkrupp-Aktie: Zuschlagen trotz des trüben Ausblicks?

17.11.22

Die Aktie von Thyssenkrupp (WKN: 750000) fällt um knapp -2% auf 5,48 €, nachdem der Stahlhersteller seinen Jahresbericht vorgelegt hat. Starke Zahlen und die erste Dividende seit drei Jahren können den Markt nicht über den trüben Ausblick hinweg trösten. Ist es für Anleger nun an der Zeit, beim konjunktursensiblen MDAX-Konzern auszusteigen?

Der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp ist Deutschlands größter Stahlhersteller. Weltweit beschäftigt das Unternehmen über 100.000 Mitarbeiter und setzt jährlich mehr als 35 Milliarden € um. An der Börse ist das MDAX-Mitglied mit rund 3,45 Milliarden € bewertet.

Am Donnerstagmorgen hat Thyssenkrupp seinen Finanzbericht für sein Ende September abgelaufenes Geschäftsjahr 2021/22 vorgelegt. Kurzum: Mit einem Milliardengewinn will der deutsche Stahlriese nach drei Jahren erstmals wieder eine Dividende zahlen, erwartet nun aber eine erhebliche Abkühlung der Geschäfte.

Gewinne dank höherer Preise und Stellenstreichungen

Konkret war der Umsatz im zurückliegenden Berichtszeitraum gegenüber dem Vorjahr um gut ein Fünftel auf 41,1 Milliarden € geklettert. Das operative Ergebnis (bereinigtes EBIT) konnte Thyssenkrupp dank starker Ergebnisse der Stahlsparte und im Materialhandelsgeschäft auf 2,1 Milliarden € fast verdreifachen.

Der Traditionskonzern profitierte in beiden Geschäftsbereichen von erheblichen Preissteigerungen und so blieben unter dem Strich nach Anteilen Dritter 1,2 Milliarden € in der Kasse nach einem Verlust von -115 Millionen € im Vorjahr. Darin enthalten sind mehr als 500 Millionen € Wertberichtigungen im Zusammenhang mit den gestiegenen Zinsen und damit einhergehenden höheren Kapitalkosten.

Neben den höheren Preisen profitierte das Unternehmen auch von dem laufenden Restrukturierungsprogramm, das unter anderem die Streichung von insgesamt knapp 13.000 Stellen vorsieht. Wie die Essener mitteilten, seien davon inzwischen fast 10.000 Arbeitsplätze abgebaut worden.

Nach den starken Zuwächsen im abgelaufenen Geschäftsjahr will der Stahlhersteller erstmals seit dem Geschäftsjahr 2017/18 wieder eine Dividende auszahlen, die sich wie damals auf 15 Cent je Aktie belaufen soll.

Konzernchefin Merz kommentiert:

Die Zahlen zeigen: Wir haben gute Fortschritte gemacht beim Umbau von Thyssenkrupp und konnten die operative Leistungsfähigkeit der Geschäfte deutlich steigern. […] Unser Schwung beim Veränderungsprozess wurde zwar gebremst, aber wir haben drei externe Schocks – Pandemie, Halbleitermangel und Krieg – vergleichsweise robust wegstecken können.

Q4-Geschäfte bereits deutlich abgekühlt

Für die kommende Bilanzperiode rechnet das Management um Konzernchefin Martina Merz jedoch mit einem deutlichen Umsatzrückgang, weil sich die Preise für Stahl und Werkstoffe normalisieren und weil der Konzern nach dem Verkauf von drei Geschäftsbereichen kleiner geworden ist. Das bereinigte EBIT wird demnach nur noch im mittel bis hoch dreistelligen Millionenbereich erwartet, das Jahresergebnis „mindestens“ ausgeglichen.

Im zurückliegenden Schlussquartal hatte sich die geschäftliche Abkühlung bei Thyssenkrupp bereits angedeutet. Die Auftragseingänge sanken gegenüber dem Vorjahreszeitraum um mehr als ein Viertel auf 10,4 Milliarden €. Das Umsatzwachstum flachte ab auf +12%, sodass 10,7 Milliarden € eingenommen wurden. Das bereinigte EBIT ging um mehr als -30% auf 161 Millionen € zurück. Unter dem Strich steigerte der MDAX-Konzern zwar die Gewinne; hierbei profitierte man aber unter anderem von Verkaufsgewinnen.

Viel Volatilität voraus

Angesichts der düsteren Prognose reagierten Anleger von Thyssenkrupp nur leicht verunsichert auf den Jahresbericht. Bis zum Donnerstagmittag fiel die Aktie um knapp -2% auf 5,48 €. Dass die kurz- bis mittelfristigen Geschäftsaussichten des Traditionskonzerns eingetrübt sind, hat der Markt bereits zum Großteil eingepreist.

Auf lange Sicht sehen ich jedoch keine Gefahr für den Stahlriesen. Mit einem Netto-Barmittelbestand von mehr als 3 Milliarden € sollte das Unternehmen keine Probleme haben, um die Situation zu meistern. Zudem macht das Management gute Fortschritte dabei, die strukturelle Rentabilität zu steigern und das Portfolio zu bereinigen.

Thyssenkrupp hat aus meiner Sicht durchaus eine solide Wertperspektive. Seine Abhängigkeit vom allgemeinen Industrieniveau in Europa und China machen angesichts einer sich anbahnenden Rezession jedoch nachdenklich.

Ich gehe davon aus, dass es für die Thyssenkrupp-Aktie in der nächsten Zeit eine Menge Volatilität geben wird, mehr noch als bei anderen internationalen Stahlunternehmen. Die Bewertungsverhältnisse sind derzeit auf einem außergewöhnlich niedrigen Niveau.

Langfristig orientierte Investoren bleiben hier also an Bord, und wer einsteigen oder aufstocken will, sollte dies mit Bedacht und in mehreren Tranchen tun.

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