Ocado +42%: Was Anleger über das Amazon-Gerücht wissen sollten
Die Aktie des britischen Online-Supermarkts Ocado ist am Donnerstag unverhofft um bis zu +42% hochgeschossen, nachdem eine renommierte Tageszeitung ein fulminantes Übernahmegerücht in die Welt gesetzt hat. Lohnt sich für Anleger möglicherweise immer noch der Einstieg bei dem britischen Papier?
Die Ocado Group mit Sitz in Hatfield bei London ist die Nr. 1 im Online-Handel mit Lebensmitteln im Vereinigten Königreich. Der eigens betriebene Onlineshop wurde 2019 in ein Joint Venture mit dem britischen Einzelhandels-Riesen Marks & Spencer eingebracht. An der Börse hat Ocado nach der jüngsten Kurssprung einen Wert von 4,5 Milliarden britischen Pfund (GBP).
Kursfeuerwerk nach Übernahme-Gerücht
Die Ocado-Aktie ist am Donnerstag zeitweise um über +42% hochgeschossen und notiert derzeit immer noch mit einem Tagesplus von knapp 33% bei 5,71 GBP. Ursächlich für den Kurssprung ist ein Bericht der britischen The Times, in dem die Zeitung Ocado als Übernahme-Ziel mehrerer US-amerikanischen Konzerne darstellt.
Demnach sollen die Briten das Interesse von Amazon und anderen Tech-Schwergewichten geweckt haben, die bereit seien, den Aktionären 8 GBP je Aktie zu bieten – zum Schlusskurs vom Mittwoch ein üppiger Aufschlag von knapp +85%.
Quellen für die Spekulationen hat die Times in ihrem Bericht nicht genannt. Weder Ocado noch Amazon sind bislang zu einer Stellungnahme bereit gewesen.
Ein gefundenes Fressen für Shortseller
Ocado gehört zu den vielen Corona-Gewinnern, die nach dem Abebben der Pandemie in eine Krise gestürzt sind. Im Februar hatte das Unternehmen für das Geschäftsjahr bis November 2022 einen Vorsteuerverlust von 501 Millionen GBP gemeldet und die Erwartungen der Analysten damit deutlich verfehlt. Die Verluste führten die Britten auf die Rückkehr der Kunden zu alten Einkaufsgewohnheiten zurück, auf die Inflation der Lebenserhaltungskosten sowie auf erhöhte Marketingausgaben.
Dementsprechend hatte die Ocado-Aktie seit dem Pandemie-Ende schwer zu kämpfen: Vor 24 Monaten begann die Talfahrt des UK-Titels von über 20 GBP aus – auch weil viele Shortseller auf einen Niedergang gewettet haben. So befinden sich rund 14% der Anteile in den Händen von Leerverkäufern. Ein Londoner Händler scherzte nun:
Es scheint, dass die Leerverkäufer von Ocado heute eine unerwartete Lebensmittellieferung voller fauler Tomaten erhalten haben.
Die meisten der institutionellen Shortseller von Ocado sind jedoch schon seit über einem Jahr investiert und dürften somit trotz des heutigen Kurssprungs immer noch gut im Geschäft sein.
Aktie trotz Talfahrt nicht billig
Grundsätzlich kann ich mir zwar vorstellen, dass große Tech-Player einen Wert sehen in der Technologie und der Infrastruktur, die Ocado in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. Mir persönlich fällt es aber schwer zu glauben, dass ausgerechnet Amazon Ocado aufkauft. Schließlich ist das US-Unternehmen Kroger Co. – ein direkter Konkurrent von Amazon – einer der größten Aktionäre des britischen Einzelhändlers und müsste einer Übernahme zustimmen.
Das jüngste Finanz-Update von Ocado hat gezeigt, dass das Unternehmen bei der Profitabilität weiterhin vor großen Herausforderungen steht. Hinzu kommt: Trotz der Börsen-Malaise der letzten beiden Jahre wird die Aktie weiterhin mit einem etwa 50-fachen Vorwärts-EBITDA (2023e) gehandelt – eine alles andere als günstige Bewertung.
Zu dem insgesamt trostlosen Bild passt, dass Ocado im Frühjahr aus Kostengründen seine Expansionspläne auf Eis legen und sein ältestes Lager in Hatflield schließen musste. Obendrein deutete die Londoner Börse im Mai an, dass das Unternehmen bald aus dem Index FTSE 100 fallen könnte.
Aktionäre dürften somit nun heilfroh sein, dass sie ein Bieter aus ihrer Misere befreien könnte. Aus meiner Sicht lohnt es sich aber nicht, jetzt noch einzusteigen, um auf einen potenziell renditeträchtigen Amazon-Deal zu spekulieren.
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