Volkswagen-Aktie: Bald unter 100 €?

Nach ihrer beispiellosen Talfahrt hat sich die Volkswagen-Aktie (WKN: 766403) in den letzten Handelstagen bei ca. 105 € stabilisiert. Zeichnet sich nach Monaten rückläufiger Kurse endlich eine nachhaltige Bodenbildung ab oder drohen bald zweistellige Kurse?

Zwei optimistische Banken

Wenn es nach der Einschätzung zweier Banken geht, dann sollte die Volkswagen-Aktie bald nach oben drehen. Die Bank of America gab vor wenigen Tagen ein Kursziel von 145 € aus. Ihren Analysten zufolge ist VW derzeit die günstigste Autoaktie der Welt und dementsprechend ein Kauf.

Noch etwas optimistischer ist die Investmentbank Stifel. Sie sieht das Kursziel der VW-Aktie bei 149 €. Nach Meinung der Stifel-Analysten steht den meisten Autoherstellern ein schwungvolleres zweites Halbjahr bevor, das sich durch steigende Auftragseingänge bereits abzeichne.

Problemfall China

Das größte Problem des Volkswagen-Konzerns ist derzeit der chinesische Markt. VW kämpft seit Jahren gegen immer stärker werdende Wettbewerber aus dem Reich der Mitte. Vor allem bei E-Autos haben viele chinesische Autobauer dem deutschen Traditionskonzern inzwischen den Rang abgelaufen.

Lag der Marktanteil von VW in China Jahr 2020 noch bei 19,3%, ging er im vergangenen Jahr auf 14,5% zurück. Noch problematischer ist, dass auch die Gewinne der Wolfsburger in China seit Jahren dahinschmelzen. Längst vergangen sind die Zeiten, zu denen VW 40% seiner Konzerngewinne in China erzielte.

Raus aus dem Markt?

Inzwischen gehen einige Autoexperten so weit, westlichen Herstellern den kompletten Rückzug vom chinesischen Markt zu empfehlen. Das gilt vor allem für Hersteller wie General Motors und Stellantis, deren Marktanteile zu niedrig sind.

Für Volkswagen wäre diese Option vor kurzem noch unvorstellbar gewesen. Aber möglicherweise führen Strafzölle dazu, dass deutsche Autos bald noch unattraktiver auf dem chinesischen Markt werden.

Noch ist unklar, wie Peking auf europäische Strafzölle reagieren wird. Aber für den VW-Konzern könnten sie ein mittelgroßes Problem darstellen, denn Porsche importiert derzeit 100% seiner Fahrzeuge nach China und bei Audi liegt die Importquote bei 9%.

Das wäre ein Dammbruch

Die Volkswagen-Aktie befindet sich in einer charttechnisch hochspannenden Situation. Vorerst hat sie beim Unterstützungsniveau von 105 € einen Boden gefunden.

Das 10-Jahrestief bei 99 € ist allerdings nur einen Katzensprung entfernt. Ein Unterschreiten dieses Kurses würde einem Dammbruch gleichkommen.

Eine spottbillige Aktie

Wie die genannten Banken bin ich inzwischen leicht optimistisch in Bezug auf die Volkswagen-Aktie gestimmt. Mit einem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 3,6 ist der DAX-Titel spottbillig im Vergleich zu seiner Peer Group. Meiner Meinung nach haben Anleger inzwischen übertrieben viel Pessimismus in den Aktienkurs der Wolfsburger eingepreist.

Klar ist, dass die Zukunft für VW in China nicht einfacher wird. Und auch auf dem europäischen Heimatmarkt dürfte der Wettbewerb durch das Aufkommen chinesischer Hersteller stärker werden.

Eine existenzbedrohende Gefahr sehe ich allerdings dadurch nicht. Mit Ausnahme von BYD und Xiaomi gibt es meiner Meinung nach derzeit keine weiteren chinesischen Autobauer, die das Potenzial für eine erfolgreiche Internationalisierung haben. Alle anderen Hersteller sind zu klein und zu wenig finanzstark.

In den kommenden Jahren werden wir Zeugen einer drastischen Marktbereinigung bei chinesischen Autoherstellern. VW könnte einer der großen Profiteure dieser Bereinigung werden.