Zins-Desaster bei Immo-Aktien: Helma, Patrizia, Dt. Wohnen
Die deutschen Immobilienwerte Patrizia Immobilien (WKN: PAT1AG), Helma Eigenheimbau (WKN: A0EQ57) und Deutsche Wohnen (WKN: A0HN5C) lagen in den letzten Monaten des Jahres 2016 eher wie Bleigewichte in den Portfolios der Investoren und belasteten die Depotentwicklung zum Jahreswechsel. Längerfristig überwiegen die Chancen und es besteht Hoffnung auf Kurssteigerungen bei ausgesuchten Aktien des deutschen Wohnungs- und Immobiliensektors. Wir haben darum drei Werte für Sie angesehen.
Statt echtem Gold bevorzugen Anleger in Deutschland lieber das Betongold. Während 32% der Sparer in Gold eine attraktive Anlage sehen, sprechen sich 75% für die Immobilie als sicherste Wertanlage aus. Der Traum vom Eigenheim wurde für so viele Bürger wie nie zuvor wahr, selbst wenn die Eigentumsquote noch immer deutlich unter 50% liegt. Gleichzeitig wurden Wohnungspakete in großem Umfang umgeschlagen und fremdfinanziert bei internationalen Immobilieninvestoren platziert, welche sich außer der Mietrendite eine erhebliche Wertsteigerung versprechen.
Bisher ging die Kalkulation auf. Tiefstzinsen haben den jahrelang daniederliegenden Immobilienmarkt in Deutschland belebt. Die Flüchtlinge und die Nettozuwanderung aus EU-Ländern wirkten sich ebenfalls positiv auf den Rückgang der Leerstandsquoten aus.
Der Anlagenotstand und der permanente Zustrom in die städtischen Ballungsgebiete führte in vielen Städten zu enormen Preissteigerungen, die sich extrem positiv auf die Kurse von Immobilienaktien auswirkten.
In den letzten Monaten gab es jedoch die vermehrte Sorge, die Zinswende aus den USA könnte langsam nach Europa überschwappen. Eine langfristige Zinswende würde die Immobiliennachfrage und Bewertung der großen Immobilienbestände wohl dauerhaft belasten. Im Zuge leicht steigender Zinsen zwischen einem halben bis einem Prozent bliebe der Effekt überschaubar und Immobilienwerte wären bei unbegründeter Kursschwäche grundsätzlich kaufenswert. Zumindest die drei folgenden Aktien gehören bei jedem interessierten Privatanleger auf die Watchlist.
Patrizia Immobilien feiert Immobiliendeal
Anfang des Jahres machte der Immobilienverwalter Patrizia Immobilien auf sich aufmerksam, als man 13.500 eigene Wohnungen für 1,1 Mrd. € an die Deutsche Wohnen AG veräußerte und einen einmaligen Sondergewinn von 208 Mio. € verbuchte. Nach dem Verkauf konzentriert man sich fortan auf das Geschäft mit der Immobilienverwaltung.
Wer Aktien der Patrizia Immobilien erwirbt, beteiligt sich sozusagen an einem Vermögensverwalter, der seine hauptsächlichen Einnahmen aus dem Management, dem Kauf und Verkauf sowie performanceorientierten Vergütungsstrukturen erzielt.
Wobei der Konzern Immobilien im Wert von 18 Mrd. € in 15 Ländern verwaltet.
Nach dem Verkauf von Immobilienportfolios steht dem Unternehmen ein Barmittelbestand von 435 Mio. € zur Verfügung. Dieser entspricht 1/3 der Marktkapitalisierung von 1,3 Mrd. € und eröffnet Potenzial.
Augenscheinlich ist die Aktie mit ihrem KGV17e von 20 zwar kein Schnäppchen mehr, dafür wurde aber das Geschäftsmodell reformiert, so dass mittlerweile nur geringe Eigenkapitalrisiken vorhanden sind und Fremdkapitalrisiken zudem ganz ausgeschaltet wurden. Man profitiert künftig von Skaleneffekten und einer Steigerung des verwalteten Immobilienvolumens (Assets under Management). Dieses dürfte im nächsten Jahr über 20 Mrd. € wachsen.
Patrizia Immobilien ist sozusagen die Privatbank im Immobiliensektor und könnte sein Wachstum in den nächsten Jahren weiter beschleunigen und dies ohne direkten Zins- oder Bewertungsrisiken ausgesetzt zu sein, welche ein fremdkapitalfinanziertes Immobilienportfolio besäße.
Gelingt es dem Konzern die entstandene Liquidität gewinnbringend zu investieren, dann dürften sich die daraus erzielbaren Beträge sehr positiv auf die Prognosen der nächsten Jahre auswirken und die Entwicklung der Aktie begünstigen. Ein relativ hohes KGV ist aufgrund der wiederkehrenden Erträge darum angemessen.
Kurse unter 20 € laden demzufolge zum Positionsaufbau ein. Die Analysten von Oddo Seydler sehen den fairen Wert gar bei 27 € und bestätigten ihre Kaufempfehlung, nachdem man einen positiven Eindruck nach dem Besuch einer Roadshow gewinnen konnte. Die Berenberg Bank und Baader Bank sehen ebenfalls deutlich höhere Kurse von 24 respektive 26 €.
Aktuell erscheint uns die Aktie bei rund 15 € zu günstig und ein langsamer Einstieg könnte sich lohnen.
Helma Eigenheimbau auf Wachstumspfad
Das neu bezogene Einfamilienhaus ist nach wie vor der Traum vieler Familien und davon profitiert die Helma Eigenheimbau AG aus Lehrte. Die Massivhäuser treffen eine Marktlücke für weitgehend standardisierte, qualitativ hochwertige und dennoch zugleich individuelle Immobilien.
Zusätzlich ist man im Wohnungsbau und dort verstärkt in den Ballungszentren Berlin, Hamburg, Leipzig und München tätig, welche einen besonders hohes Neubaupotenzial aufweisen.
In Deutschland wurden 2015 nur 2,8 Wohnungen je 1.000 Einwohner fertiggestellt. In Frankreich waren es mehr als 4 und in Österreich, Schweiz und Norwegen sogar über 5. Deutschlands Immobilienbranche besitzt nach jahrzehntelangem Schattendasein wieder gute Perspektiven.
Innerhalb von drei Jahren soll sich der Umsatz gegenüber den Zahlen von 2015 verdoppeln. Die Jahresprognosen für die Umsätze 2016, 2017 und 2018 liegen bei 260, 340 und 420 Mio. €. Vor zehn Jahren lag der Jahresumsatz noch bei 57,6 Mio. €. Die Gewinne zeigen in den letzten Jahren eine stabile EBIT-Marge von 8%.
In den letzten vier Jahren stieg die Aktie angesichts dieses Erfolgs von unter 10 € auf über 60 €. Aktuell ist die Aktie mit 53 € etwa 17% von den Jahreshochs entfernt.
Anleger wussten wohl die steigenden Zinssignale, welche uns im Herbst vor allem aus den USA erreichten, nicht so recht einzustufen.
Auch schmeckte einigen Investoren offensichtlich nicht, dass der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Maerzke sowie seine Ehefrau Regina Aktien für 1,2 Mio. € veräußerten.
Zudem wurden von Helma zuletzt im Oktober Auftragseingänge vermeldet, welche leicht unter dem Vorjahr lagen. Bereinigt um einen Sondereffekt in 2015 lagen die Aufträge in den ersten neun Monaten 2016 um 11 Mio. Euro über dem Vorjahreswert. Die Halbjahreszahlen 2016 wurden Ende August mit 103 Mio. Euro Umsatz gemeldet. Dies stellte eine Steigerung von 34% im Vergleich zum Vorjahr dar.
Am 12. Januar sollen dann die Vertriebszahlen für das abgeschlossene Gesamtjahr 2016 veröffentlicht werden.
Trotz guter Zahlen fällt auf, dass die Finanzierungsseite relativ stark von Kapitalerhöhungen und Fremdkapital abhängig ist. 2015 waren die kurzfristigen Finanzverbindlichkeiten auf einen Schlag von 15 auf 50 Mio. € hochgeschnellt. Zwischenzeitlich wurde eine mit 5,75% verzinste Mittelstandsanleihe mit einem 2,5% KfW-Darlehen abgelöst und vorzeitig bedient. Gleichwohl sind die bilanziellen Risiken mit >200 Mio. € Bilanzsumme nicht klein und bergen diverse Projektrisiken.
Insofern ist die Aktie mit ihrem KGV 2016e von rund 16 und einem EV/EBITDA von 13 vergleichsweise hoch bewertet.
Die Analysten von GBC Research sehen in ihrer jüngsten Studie angesichts der starken Wachstumsprognosen des Vorstandes trotzdem weiteres Potenzial für steigende Kurse und erwarten, dass die Aktie sogar bis 70 € steigen könnte. Dementsprechend empfehlen sie den Kauf des Titels.
Deutsche Wohnen Substanzwert Steigerungspotenzial durch Berlin-Phantasie
Die Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen AG konzentriert sich auf den privaten Wohnungsmarkt und ist mit ihren 160.000 Wohnungen und einer Marktkapitalisierung von 10 Mrd. € sowie 5,7 Mrd. € Verbindlichkeiten ein Marktschwergewicht und darum im MDAX vertreten.
Das Haupttätigkeitsgebiet konzentriert sich auf den Standort Berlin, mit 100.000 Wohnungen und etwa 70% Anteil des Unternehmenswertes. Den Fokus richtet der Konzern auf bezahlbare Wohnungen mit einer Durchschnittsmiete von 6 €/m². Die Wohnungen der Deutsche Wohnen AG besitzten zurzeit eine durchschnittliche Bewertung von lediglich 1.500 €/m². Insbesondere das Berliner Preisniveau dürfte sich langsam aber sicher an die Preise von anderen deutschen Städten annäheren wie beispielsweise Frankfurt (2.700 €/m²). Zunehmend könnten sich die Preise langfristig zudem am Niveau größerer Metropolen in der EU orientieren, zum Beispiel Wien (2.600 €/m²) oder Amsterdam (2.900 €/m²).
Immobilieninteressierte Privatanleger dürften selbst eher schwer in der Lage sein, eigene Bestandsimmobilien für 1.500 €/ m² zu erwerben und kostendeckend zu bewirtschaften, ohne erhebliche Klumpenrisiken einzugehen.
Die Aktie der Deutsche Wohnen stieg in den letzten fünf Jahren von 10 auf 35 € und notiert nach ihrem starken Rücksetzer im Herbst aktuell um die 30 €. In der Finanzkrise 2007/08 stürzte die Aktie allerdings von 31 € auf 2 € ab und zeigte, dass im Krisenfalle erhebliche Refinanzierungsrisiken bestehen. Goldman Sachs empfiehlt darum, die Aktie wegen steigender Kapitalkosten zu verkaufen.
Fazit
Wer weiterhin an den Immobilienboom in Deutschland sowie Europa glaubt, sollte die drei genannten Aktien zumindest im Auge behalten. Ein Geschäftsmodell mit überschaubaren Risiken und einem deutlichen Ertragssteigerungspotenzial bei zeitgleich gedämpften Kursen offeriert zurzeit Patrizia Immobilien.
Helma Eigenheimbau eignet sich für eine anhaltende Wachstumsspekulation im Einfamilienhaussegment. Langfristig sehen wir hier jedoch bilanzielle Risiken, die aktuell nur schwer zu bewerten sind. Mindestens würden wir vor dem Einstieg noch die finalen Zahlen zum 2. Halbjahr 2016 abwarten, die am kommenden Donnerstag, dem 12. Januar veröffentlicht werden sollen.
Die Deutsche Wohnen AG steht im Zentrum des Aufholpotenzials für Berlin-Immobilien und ist diesbezüglich eine gute Wahl. Zumal sich Anleger dort für relativ überschaubaure Preise einen Anteil an attraktiven Großstadtimmobilien sichern können. Anleger sollten das hohe Refinanzierungsrisiko beachten und nur bei deutlicher Kursschwäche kaufen.