Amazon.com: Kursziel 5.000 US-Dollar wirklich realistisch?
In den USA berichten Finanzmedien wie bspw. MarketWatch heute über den Hedgefondsmanager Doug Kass von Seabreeze Partners und seiner Einschätzung der Aktie von Amazon.com (WKN: 906866). Dazu muss man wissen, dass Mr. Kass schon in der Vergangenheit zu den größten Bullen, was diese Aktie betrifft, zählte. So nannte er in der Vergangenheit beispielsweise Kursziele von 3.000 US-Dollar bis zum Jahr 2021, was damals noch realitätsfern klang, inzwischen jedoch möglich erscheint.
Heute nun hat Mr. Kass wieder einen raus gehauen und nennt ein Kursziel für die Aktie in Höhe von sage und schreibe 5.000 US-Dollar. Dies würde fast einer nochmaligen Verdreifachung der Aktie entsprechen und den Börsenwert von Amazon.com auf 2,5 Billionen US-Dollar heben. Allerdings muss man einschränkend dazu sagen, dass auch dieses – wieder einmal phantastisch klingende – Kursziel erst im Jahr 2025 erreicht werden soll.
Wie ist das alles zu bewerten? Nun, positiv bewerte ich, dass Doug Kass nicht nur Kursziele für die Aktie nennt, sondern auch einen Zeitrahmen bis wann diese Kursziele erreicht werden sollen. Damit haben die Prognosen Hand und Fuß. Allerdings ist der Zeitraum, der genannt wird, stets noch einige Jahre hin. Somit lässt sich heute noch kaum abschätzen, wie gut oder schlecht seine Prognosen sind. Zumal, frei nach André Kostolany, "an der Börse alles möglich ist, auch das Gegenteil von allem!".
Chancen und Risiken: Die Chancen überwiegen die Risiken
Schaut man sich das Unternehmen näher an, kommt man zu folgendem Schluss. Das ursprüngliche Kerngeschäft von Amazon.com, also eCommerce, ist zwar umsatzstark aber leider nicht sonderlich gewinnträchtig. So sind die Margen im Einzelhandel bekanntlich generell niedrig und das gilt im sehr transparenten Online-Handel erst Recht. Alleine das Kerngeschäft würde daher keine so hohe Bewertung hergeben, ja selbst die aktuelle Bewertung wäre dann schon zu hoch.
Allerdings hat Amazon.com mit Jeff Bezos eben einen erstklassigen Mann an der Spitze, der das Unternehmen ja auch seinerzeit gründete. Diesem ist es daher gelungen frühzeitig in andere Bereiche zu expandieren, wobei besonders das in den Amazon Web Services gebundene Cloudgeschäft nicht nur wachstumsstark, sondern eben auch sehr profitabel ist. In sogenannten Sum-Of-The-Parts-Analysen kommen Analysten daher regelmäßig zu dem Ergebnis, dass die Aktie derzeit eher unterbewertet ist.
Allerdings hat das Kerngeschäft eCommerce für eine starke Basis gesorgt. So ergibt schon ein kurzer Blick in die Bilanz, dass diese nur so vor Stärke strotzt. So stehen Assets im Gesamtvolumen von über 162 Mrd. US-Dollar – darunter alleine 31,75 Mrd. US-Dollar Cash/Cash-äquivalente Mittel sowie 9,5 Mrd. US-Dollar kurzfristig monetarisierbare Geldanlagen – Schulden in Höhe von nur gut 119 Mrd. US-Dollar gegenüber.
Allerdings muss man bei diesen Schulden beachten, dass es sich zu einem großen Teil (ca. 38,2 Mrd. US-Dollar) um Schulden bei Lieferanten handelt, die im Einzelhandel völlig normal sind. Weitere 23,5 Mrd. US-Dollar Schulden sind sehr langfristige Schulden, so dass ich hier aktuell keinerlei bestandsgefährdende Risiken für das Unternehmen sehe. Denn netto ist Amazon, trotz der Milliardenübernahme von Whole Foods Market, ja sogar schuldenfrei.
Umsatz- und Gewinnentwicklung zuletzt extrem stark, aber wie sieht die Zukunft aus?
Nicht nur, aber sicherlich auch wegen der Akquisition von Whole Foods Market, war die Geschäftsentwicklung zuletzt sehr stark. So gelang es dem Konzern seinen Jahresumsatz von gut 107 Mrd. US-Dollar in 2015 auf knapp 233 Mrd. US-Dollar in 2018 mehr als zu verdoppeln. Dies entsprach einem durchschnittlichen jährlichen Umsatzwachstum von ca. +29,6%. Zugleich wurde der Nettogewinn im gleichen Zeitraum knapp ver17facht, von 596 Mio. US-Dollar in 2015 auf über 10 Mrd. US-Dollar in 2018. Das durchschnittliche jährliche Gewinnwachstum: +156,6%.
Dabei gelang alleine von 2017 auf 2018 mehr als eine Verdreifachung des Nettogewinns. Absoluter Wahnsinn und natürlich wird Amazon.com solche Wachstumsraten nicht ewig aufrecht erhalten können. Aber lassen sie uns mal etwas anderes ausrechnen. Wo müsste der Nettogewinn und das KGV denn 2025 stehen, um eine Marktkapitalisierung von 2,5 Billionen US-Dollar zu rechtfertigen? Nun, ich denke ein Nettogewinn von 50 Mrd. US-Dollar sowie ein KGV 2025e von 50 wären realistische Annahmen dafür.
Um den Nettogewinn bis 2025e nochmals zu verfünffachen, würde es eines jährlichen durchschnittlichen Gewinnwachstums von ca. +25,8% bedürfen. Bei einem solchen Gewinnwachstum wäre ein KGV 2025e von 50 auch angemessen, denn damit läge das sogenannte Price-Earnings-Growth Ratio (KGV in Relation zum Gewinnwachstum) bei zwei, was für solch erstklassige Wachstumsunternehmen wie Amazon.com in Ordnung geht. Halten Sie solche Wachstumsraten für realistisch? Unmöglich erscheint es mir zumindest nicht!
Fazit: Kursziel von 5.000 US-Dollar ist optimistisch, aber nicht völlig unrealistisch!
Daher komme ich letztlich zu dem Schluss, dass das Kursziel von 5.000 US-Dollar für die Aktie bis zum Jahr 2025 zwar optimistisch, aber keineswegs völlig unrealistisch ist. Könnte Amazon.com sein Wachstum wie zuletzt aufrecht erhalten, wäre die Aktie in 2025 wahrscheinlich sogar noch viel mehr wert. Aber dies erscheint wohl allen, nicht nur mir, unmöglich. Denn die nahezu erzielte Ver17fachung des Nettogewinns zwischen 2015 und 2018 basierte eben auch darauf, dass der Nettogewinn in 2015 mit knapp 600 Mio. US-Dollar noch recht gering ausgefallen ist.
Es ist allerdings auch klar, dass selbst eine Verfünffachung des Nettogewinns bis 2025e nicht so einfach werden wird. Wenn man ein durchschnittliches jährliches Gewinnwachstum von knapp +26% schaffen möchte, darf quasi nichts schief gehen. Eine Rezession beispielsweise könnte da den Optimisten durchaus einen Strich durch die Rechnung machen. Rechnet man ein wenig weiter, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Anleger an der Börse aktuell ein durchschnittliches jährliches Gewinnwachstum von "nur" knapp +16% p.a. einpreisen.
Zusammenfassend muss ich konstatieren, dass bei Amazon.com derzeit schon eine sehr positive Zukunft eingepreist ist. Der Hedgefondsmanager Doug Kass sieht aber eine noch rosigere Zukunft, womit er möglicherweise richtig liegen könnte. Liegt er jedoch falsch, ist die Aktie heute schon fair bewertet oder sogar zu teuer. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit daher – wie meistens – in der Mitte. Bei einem durchschnittlichen jährlichen Gewinnwachstum von +20% bis 2025e jedenfalls wäre eine Bewertung des Unternehmens in Höhe von knapp 1,5 Billionen US-Dollar möglich.
Dies wiederum würde einem Kursziel von knapp 3.000 US-Dollar bis 2025 respektive Kursgewinnen von ca. +7% p.a. entsprechen. Nicht schlecht, aber damit wäre Amazon.com letztlich doch endlich eine ganz normale Aktie geworden!