Volkswagen: Comeback nach ausgestandenem Abgasskandal?
Noch Mitte März des Jahres 2015 notierte die Vorzugsaktie von Volkswagen (WKN: 766403) über 250,00 Euro. Abgesehen von den absurden Höchstkursen (über 1.000 Euro) durch einen Short Squeeze infolge des damaligen Übernahmeversuchs durch Porsche stellten diese Kurse quasi Allzeithochs dar. Ich warnte damals jedoch vor zu viel Euphorie und prognostizierte eine mögliche Halbierung der Aktie. Basis dieser, meiner Prognose, war dabei die Charttechnik.
Kurz danach wurde dann der Abgasskandal öffentlich und tatsächlich ging die Aktie nahezu in den freien Fall über. So notierte die Aktie – und wir sprechen hier immer noch von der Aktie eines DAX-Konzerns – ein gutes halbes Jahr später, nämlich Anfang Oktober 2015, unterhalb von 100,00 Euro. Sie hatte sich also sogar mehr als halbiert und ich erhielt seinerzeit zahlreiche Anfragen, ob ich über Insiderinformationen verfügt hätte. Aber das hatte ich natürlich nicht!
Insofern hat der Kursverlauf der VW-Aktie seinerzeit, übrigens ähnlich wie der frühzeitig von mir prognostizierte Absturz von Wirecard zuletzt, letztlich nur gezeigt, was durch richtig angewendete charttechnische Analysen möglich ist. Wobei ich mich jedoch selbst nie nur auf die Charttechnik verlasse, sondern meine Analysen grundsätzlich auf einer Analyse der Fundamentaldaten, einer charttechnischen Analyse sowie einer Betrachtung des Sentiments beruhen.
Totgesagte leben länger...
Ich war also frühzeitig pessimistisch bei VW. Doch auch die beiden anderen deutschen Autobauer, BMW und Daimler, fand ich in den letzten Jahren nicht sonderlich spannend. In der Tat haben sich deren Aktienkurse ja auch nicht gerade besonders positiv entwickelt. Zum endgültigen Ausverkauf dieser Aktien kam es dann jedoch Ende letzten Jahres, im Zuge der heftigen Korrektur des Gesamtmarktes. Viele haben spätestens zu diesem Zeitpunkt BMW, Daimler und VW wohl endgültig abgeschrieben. Aus meiner Sicht sind solche Situation jedoch sehr interessant.
Denn Totgesagte leben bekanntlich länger, besonders an der Börse. Und auch wenn ich an einen Siegeszug der Elektromobilität glaube und die deutschen Autobauer durchaus für ihre Ignoranz dieser Entwicklung kritisiere, glaube ich nicht an deren Aus. So hat BMW im Bereich der E-Mobilität ja erste gute Ansätze vorzuweisen, müsste aber noch deutlich mehr tun. Daimler dagegen sollte sich stärker fokussieren und endlich das tote Pferd namens Wasserstoff beerdigen. Umso beeindruckender ist da die starke Positionierung von Volkswagen (VW)!
So haben die Wolfsburger, nachdem dort endlich der alte Winterkorn-Spezi Matthias Müller seinen Hut nehmen musste und Herbert Diess das Steuer übernommen hat, massive Investitionen in die Elektromobilität angekündigt. Konkret möchte VW bis zum Jahr 2023 sage und schreibe 44 Mrd. Euro in Themen wie das autonome Fahren, die Digitalisierung, Elektromobilität sowie Mobilitätsdienstleistungen investieren. Dabei hatte man schon bisher Investitionen in Höhe von 34 Mrd. Euro bis 2022 angekündigt.
Umsatz- und Gewinnentwicklung zuletzt: Abgasskandal scheint verdaut!
Schaut man sich die Umsatz- und Gewinnentwicklung der letzten Jahre an, kommt man wohl ohnehin nicht umhin die Ängste der Anleger im Bezug auf VW als etwas übertrieben anzusehen. Denn trotz des Abgasskandals konnten die Wolfsburger ihren Jahresumsatz kontinuierlich immer weiter steigern. Und auch die Gewinnentwicklung war so schlecht nicht, wenn man mal die Zeit des Höhepunkts des Abgasskandals, also die Jahre 2015 und 2016, ausblendet.
So hat Volkswagen seinen Jahresumsatz von 2014 bis 2018 von knapp 202,5 Mrd. auf zuletzt knapp 235,85 Mrd. Euro und somit um ca. +16,5% respektive ca. +3,9% p.a. steigern können. Zugleich stieg der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) zuletzt auf den neuen Rekordwert von ca. 15,64 Mrd. Euro. 2014 lag dieses noch bei knapp 14,8 Mrd. Euro, brach dann jedoch eben wegen des Abgasskandals deutlich ein, so dass 2015 sogar ein Verlust ausgewiesen werden musste.
Mögliche Umsatz- und Gewinnentwicklung in Zukunft...
Zuletzt hatte Volkswagen, wie jedoch alle Autohersteller, mit der Einführung neuer Abgastests (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure, kurz: WLTP) zu kämpfen. Diese Schwierigkeiten scheinen inzwischen jedoch weitestgehend überwunden zu sein. Daher rechnet das Management um CEO Herbert Diess für 2019e auch mit einer leichten Steigerung der Auslieferungszahlen, was dann in einem Umsatzwachstum um bis zu +5% münden sollte. Und das bei einem Konzern, der zuletzt schon einen Jahresumsatz von weit über 200 Mrd. Euro erzielt hat.
Dabei soll die operative Marge im wichtigsten Geschäftsbereich Pkw zwischen 6,5 und 7,5% liegen, bei den Nutzfahrzeugen hingegen nur zwischen 6,0 und 7,0%. Im Geschäftsbereich Finanzdienstleistungen soll ein operatives Ergebnis auf Höhe des Vorjahres erzielt werden, genauso wie der Verlust im Bereich Power Engineering im Bereich des Vorjahresniveaus liegen sollte. Konkret ist daher mit einem Jahresumsatz von über 247,5 Mrd. Euro sowie einem EBIT von knapp 17,0 Mrd. Euro auszugehen, was beides neue Rekorde wären.
Fundamentale Bewertung wirkt extrem günstig
Spätestens bis zum Jahr 2024, ggf. jedoch schon bis zum Jahr 2023, wird Volkswagen wohl einen Jahresumsatz von 300 Mrd. Euro einfahren. Dabei könnte der EBIT-Gewinn, trotz der geplanten massiven Investitionen, auf über 22,5 Mrd. Euro klettern. Demgegenüber steht derzeit jedoch nur noch eine Marktkapitalisierung von knapp 32,5 Mrd. Euro, wobei sich nur knapp 11% der Aktien im Streubesitz befinden. 52,2% des Aktienkapitals hält nämlich Porsche, 20% das Land Niedersachsen sowie 17% Katar.
Somit weist die Aktie ein KUV 2019e von ca. 0,13 sowie ein KGV 2019e von weniger als 5,5 auf. Obwohl die Aktie damit schon – selbst im Peer-Group Vergleich – sehr niedrig bewertet erscheint, sinken diese Bewertungskennzahlen – bei einem unveränderten Aktienkurs – immer weiter. Daher gehe ich auch nicht davon aus, dass der Aktienkurs in den kommenden Jahren noch stark weiter sinken oder auch nur stagnieren wird. Vielmehr dürfte er deutlich zulegen! Aber welches Kursziel ist hier realistisch?
Fazit: Aktie kaufen, liegen lassen und die Dividenden kassieren
Ich würde bei VW ein KUV von bis zu 0,15 sowie ein KGV von bis zu sieben für durchaus vertretbar halten. Damit gäbe es ja schon einen Bewertungsabschlag gegenüber BMW (KGV 2019e von ca. 8,3) und Daimler (KGV 2019e von ca. 7,6). Wendet man diese Kennzahlen auf die Umsatz- und Gewinnschätzungen für 2019e an, so errechnet sich hier ein fundamental fairer Wert zwischen gut 37,1 Mrd. und knapp 41,5 Mrd. Euro.
Nehmen wir also mal einen fundamental fairen Wert von rund 40 Mrd. Euro an, so würde die Aktie derzeit über ein Kurspotenzial von ca. +23% verfügen. Konkret würde dies ein Kursziel in Höhe von knapp 195,00 Euro implizieren. Tatsächlich würde dies auch aus charttechnischer Sicht Sinn ergeben. Denn nach dem kürzlich erfolgten charttechnischen Ausbruch sowie der laufenden Pullback-Bewegung, hat die Aktie ein charttechnisches Kaufsignal mit Kursziel 190,00 Euro generiert.
Daher würde ich die Vorzugsaktie von Volkswagen (VW) gegenwärtig als Kaufkandidaten einstufen. Zwar kann es durchaus ein wenig dauern, bis die Aktie so richtig in Fahrt kommt. Schon auf Sicht eines Jahres winken hier jedoch Kursziele zwischen 190,00 und 195,00 Euro zzgl. einer ansehnlichen Dividende von aktuell über 3,5%. Wenn VW dann erst einmal wieder richtig zurück in die alte Erfolgsspur findet, was ich unter CEO Herbert Diess für möglich halte, wären in 2-3 Jahren sogar die alten Hochs aus dem Jahr 2015 respektive neue Hochs möglich.