Netflix: Verängstigte Anleger geben sich mit wenig zufrieden
Die Aktie von Netflix (WKN: 552484) stieg gestern Abend, nachbörslich, zeitweise um fast +10%. Im regulären Handel heute kann der Titel dieses Kursplus, das in meinen Augen völlig übertrieben war, nicht ganz verteidigen.
Die Aktie gewinnt heute nur rund +4% und notiert zur Stunde damit wieder unterhalb der runden 300 US-Dollar Marke. Diese ist allerdings ganz und gar nicht entscheidend. Denn viel wichtiger sind für charttechnisch orientierte Anleger zwei andere Marken.
Da wäre zunächst die Marke von 285 US-Dollar zu nennen. Mit einem Schlusskurs oberhalb von 285 US-Dollar nämlich würde die Aktie ein charttechnisches Kaufsignal mit Kursziel 340 US-Dollar generieren. Ungefähr in diesem Bereich, zwischen 335 und 340 US-Dollar, liegt dann die nächste charttechnisch wichtige Hürde. Denn hier lag in der Vergangenheit eine charttechnische Unterstützung, die Ende Juli gebrochen wurde.
Erst oberhalb von 335 respektive 340 US-Dollar würde sich das Chartbild der Aktie daher deutlich aufhellen. Umso interessanter, dass die Aktie im Zuge der Vorlage des aktuellen Zahlenwerks nicht mal ganz diese charttechnisch wichtige Widerstandszone erreichen oder gar überspringen konnte – und nun sogar wieder deutlich zurückfällt. Wobei Rücksetzer bis 285 US-Dollar theoretisch auch noch eine Pullback-Bewegung zum Luft holen darstellen könnten.
Vorgelegte Quartalszahlen waren nicht berauschend
Aus charttechnischer Sicht muss die Reaktion der Aktie auf die gestern Abend vorgelegten Quartalszahlen, dank des Sprungs über die 285 US-Dollar, durchaus positiv gewertet werden. Wenngleich die umgehend einsetzenden Gewinnmitnahmen schon wieder ein erstes Warnzeichen sind. Aus fundamentaler Sicht ist der Kurssprung ohnehin kaum zu verstehen. Denn das, was Netflix gestern Abend vermeldet hat, war alles andere als berauschend.
So hatten Analysten und Anleger im Vorfeld mit mindestens sieben Millionen neuen Abonnenten gerechnet, tatsächlich aber wurden es nur 6,77 Millionen. Auch beim Quartalsumsatz blieb der Videostreaming-Spezialist mit 5,24 Mrd. US-Dollar leicht unterhalb der Konsenserwartungen von 5,25 Mrd. US-Dollar. So überzeugte Netflix letztlich eigentlich nur beim Gewinn, der mit 1,47 US-Dollar je Aktie deutlich über den erwarteten 1,04 US-Dollar lag. Wobei "Gewinn" bei Netflix, angesichts massiver Investitionen und damit verbundener Abschreibungen, immer so eine Sache ist.
Denn nur da die im Auftrag von Netflix produzierten Inhalte (Serien) über mehrere Jahre abgeschrieben werden, weist der Konzern überhaupt einen Gewinn aus. Schaut man sich hingegen den Cashflow an, so war, ist und bleibt dieser extrem negativ. De facto verbrennt Netflix also nach wie vor eine ganze Menge Geld. Wobei man diese Rechnungslegung Netflix nicht vorwerfen kann, da sie so weitestgehend gesetzlich vorgeschrieben ist.
Auch der Ausblick ist sehr mau!
Angesichts dieser vorgelegten Quartalszahlen, muss der Ausblick des Managements wohl gigantisch gut gewesen sein. Sonst gäbe es für die Aktie ja keinen Grund nachbörslich fast +10% zuzulegen und immerhin einen Teil dieser Kursgewinne heute zu verteidigen. Doch Pustekuchen, auch der Ausblick des Managements um CEO Reed Hastings fiel alles andere als toll aus. So erwartet das Management im laufenden vierten Quartal ein Zuwachs von 7,6 Mio. zahlenden Kunden, was deutlich unter den Konsenserwartungen von 9,5 Mio. neuen Abonnenten liegt.
Auch die Umsatz- und Gewinnprognosen für Q4/2019 liegen, auf Basis dieses vorsichtigen Ausblicks im Hinblick auf das Kundenwachstum, natürlich unterhalb der durchschnittlichen Analystenschätzungen. So erwartet man bei Netflix im vierten Quartal einen Quartalsumsatz von 5,44 Mrd. US-Dollar (Konsensprognose: 5,51 Mrd. US-Dollar) sowie einen Gewinn je Aktie in Höhe von 0,51 US-Dollar (Konsensprognose: 0,85 US-Dollar). Was also feiern die Anleger da genau?
Nun, die Stimmung unter den Anteilseignern von Netflix war zuletzt, wie ja auch die Performance der Aktie, sehr schlecht. Als Grund hierfür wurden immer wieder neue Wettbewerber wie Apple oder Disney genannt, die mit ihren neuen Streamingdiensten Netflix die Kunden abjagen würden. Wie die Prognosen des Managements nun jedoch zeigen, wird Netflix von diesen neuen Konkurrenten zwar durchaus getroffen. Es scheint jedoch weit weniger gravierend zu sein als viele Aktionäre zuletzt dachten.
Fazit: Meine "Prognose" steht unverändert...
Wer mich kennt, weiß, dass ich schon lange ein Fan von Netflix bin. Dies bezieht sich sowohl auf den Dienst - den ich selbst schon genutzt habe, als Netflix in Deutschland noch gar nicht aktiv war - als auch auf die Aktie. Allerdings habe ich bezüglich der Aktie in der Vergangenheit eine "Prognose" aufgestellt, zu der ich weiterhin stehe. Diese lautet: Langfristig wird die Netflix-Aktie wahrscheinlich auf 1.000 US-Dollar steigen, zuvor wird es sie aber nochmals unter 100 US-Dollar geben.
Wie aber komme ich darauf? Nun, meines Erachtens werden die lange Zeit verwöhnten Investoren in der Tat irgendwann einmal Zweifel am Geschäftsmodell von Netflix bekommen, so wie es beim Platzen der "Dotcom Bubble" ja auch bei Amazon.com der Fall war. Dann ist das Management gefordert und muss zeigen was es kann. Dies traue ich Reed Hastings und seinen Mannen jedoch absolut zu.
Im Zuge der Zweifel wird die Aktie deutlich abstürzen, sobald das Management die Zweifel jedoch ausräumen kann auf neue Höchstkurse steigen. Wobei es für das Kursziel von 1.000 US-Dollar ein großes Risiko gibt, nämlich das irgendjemand (Apple?) auf die Idee kommt Netflix bei Kursen unter 100 US-Dollar komplett zu übernehmen. Sollte dies jedoch nicht passieren, war, ist und bleibt Netflix die Nummer 1 – vor Amazon.com (Prime Video), Apple und Disney!