Nio +17%: Das ist der wahre Grund

01.02.22

Mit +17% ging die Aktie von Nio (WKN: A2N4PB) am Montag aus dem Handel. Das chinesische Elektro-Start-Up hatte am Morgen zwar eine Unternehmensmeldung veröffentlicht; hinter dem plötzlichen Kurssprung verbirgt sich jedoch eine andere Entwicklung. Derweil versucht der E-Autobauer, in Europa Fuß zu fassen, um die hohen Markterwartungen an das Unternehmen zu erfüllen.

Nio ist ein E-Auto-Start-up im Premium-Segment, das von vielen als das chinesische Pendant des kalifornischen Branchenpioniers Tesla gesehen wird. Obwohl das Unternehmen erst 2014 gegründet wurde, belegte es 2021 bereits den 6. Platz der meistverkauften reinen E-Autos in China. An der New Yorker Börse hat der Autobauer derzeit einen Wert von knapp 39 Milliarden US$.

Anschlussgewinne im Tech-Sektor

Zum Wochenstart legte die Nio-Aktie an der NYSE um satte 17,27% zu und ging schließlich mit 24,51 US$ aus dem Montagshandel. Was war geschehen? Wie das Unternehmen am Montagmorgen bekannt gab, endete am vergangenen Freitag sein Rückkaufrecht für eine Wandelanleihe mit Fälligkeit 2024. Bis zum Ablaufdatum sei demnach keine der Anleihen zum Rückkauf eingereicht worden, sodass die Wertpapiere mit einem Gesamtnennbetrag von 163,7 Millionen US$ ausstehend blieben.

Nicht gerade eine Meldung, von der man erwartet, dass sie Anleger in Euphorie versetzt. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass der Nio-Titel aktuell von Anschlussgewinnen profitiert. So hatten viele Tech-Werte angesichts einer strafferen Geldpolitik einen schwachen Start ins Jahr, bügelten ihre Verluste Ende der letzten Woche jedoch zum Teil wieder aus.

Expansion nach Europa

Nachdem Anleger die Nio-Aktie 2020 von 3 auf 63 US$ katapultierten, befindet sich die Branche in China seit Anfang 2021 in einer Konsolidierungsphase. Zwar hat das E-Auto-Start-up den Absatz im vergangenen Jahr auf über 91.000 Fahrzeuge mehr als verdoppelt. Das enorme Wachstum der letzten Jahre auf dem heimischen Markt schwächt sich jedoch langsam ab – auch weil die Regierung in Peking die hohen Kaufprämien für Stromer stufenweise kürzt.

Wie viele andere chinesische Hersteller baut Nio aus diesem Grund derzeit Vertriebsstrukturen in Europa auf. Im vergangenen Herbst öffnete das erste Nio-House in der norwegischen Hauptstadt Oslo. Die fortgeschrittene Ladeinfrastruktur gab den Ausschlag für den europäischen Markteintritt in dem skandinavischen Land. Der Start verlief Schätzungen zufolge mit bislang gerade einmal 200 verkauften Fahrzeugen jedoch holprig.

Die noch schwachen Absatzzahlen in Norwegen überraschen nicht, da ein großes Verkaufsargument des Fahrzeugherstellers sein einzigartiges Batteriewechselsystem ist: Statt sich mit langen Ladezeiten aufzuhalten, können Nio-Kunden in China Tauschstationen anfahren und ihren Akku dort innerhalb von drei Minuten vollautomatisch wechseln lassen. Einfache Reparaturen und Wartungsarbeiten werden zudem mittels mobilen Servicefahrzeugen vor Ort beim Kunden erledigt. In einem neuen Markt muss diese Infrastruktur zunächst aufgebaut werden.

 Gewinne ab 2024?

Nio befindet sich derzeit eindeutig noch in der Wachstumsphase und ist noch einige Jahre von der Profitabilität entfernt. So wird das Unternehmen 2021 zwar im Vorjahresvergleich den Umsatz nach Analystenkonsens auf umgerechnet 5,7 Milliarden US$ verdoppeln; fast ebenso kräftig wachsen jedoch voraussichtlich auch die Nettoverluste auf 1,3 Milliarden US$.

Wann die ersten Gewinne beim Elektro-Start-up fließen könnten, darüber will CEO und Gründer Li Bin keine Aussage treffen. „Wir investieren noch viel in unsere Zukunft, deshalb können wir jetzt noch keinen Gewinn machen“, sagte Bin zuletzt auf Nachfrage. Nach den Expertenschätzungen jedoch könnten sich die Einnahmen bis 2024 annähernd verdreifachen und das Nettoergebnis damit erstmals in den grünen Bereich schieben.

Starke Ausgangsposition

Fakt ist: Mit einem Kurz-Umsatz-Verhältnis von 6,3 ist die Nio-Aktie im Branchenvergleich günstig. Als Wachstumsunternehmen auf einem sehr aussichtsreichen Markt hat Nio eine starke Ausgangsposition und besitzt mit seinen strategisch cleveren Service-Angeboten ein interessantes Alleinstellungsmerkmal.

Mit der Wende hin zur Elektromobilität hat das Unternehmen reelle Chancen, den Markteinstieg in Europa doch noch zu meistern und den optimistischen Prognosen damit gerecht zu werden.

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