Auto1: Ist das Kurspotenzial bereits ausgereizt?

Marco Messina
04.02.21

Furioser Handelsstart der Papiere vom Gebrauchtwagenhändler Auto1 Group (WKN: A2LQ88). Ist damit die Luft schon am ersten Handelstag raus oder kann Auto1 die Carvana aus Europa werden?


Kann Auto1 in den kommenden Jahren so rasant wachsen, wie Carvana es in den letzten Jahren in Nordamerika vorgemacht hat? Dann ist der heutige IPO-Preis vermutlich ein Megaschnäppchen. Oder fällt der europäische Klon irgendwann in sich zusammen?

Derzeit habe ich ein kleines Déjà-vu. Es strömen so viele Wachstumsunternehmen auf das Börsenparkett wie gefühlt seit Jahren nicht mehr. Eifrig wird das Orderbuch nach Zuteilungsquoten durchforscht. Ich fühle mich zurückversetzt ins Jahr 2000.

Während ich Dir diese Zeilen schreibe, hat dann auch die Börse Frankfurt den ersten Handelskurs mit 55,00 Euro bekannt gegeben. Das entspricht auf den Zuteilungspreis von 38 Euro einem satten Aufschlag von +44,73. Das sind doch mal satte, risikolose Kursgewinne.

Damals wie heute war die Gier nach solch hohen Zeichnungsgewinnen ein Warnzeichen, dass zu viele Privatinvestoren nur die schnelle Mark oder den schnellen Euro machen wollen. Das schadet natürlich langfristig einer gesunden Aktienkultur.

Kein deutsches Start-up wuchs rasanter

Ist das bei Auto1 denn auch so? Die Nachfrage nach den Anteilsscheinen in der Zeichnungsphase ist riesig gewesen. Dennoch sind diesmal überwiegend Profiinvestoren bei den Zeichnern des IPOs zu finden gewesen. Viele Privatanleger haben diesen Börsengang schlichtweg verschlafen.

Dabei dürfte nahezu jedem in Deutschland mit einem TV-Gerät zumindest eine der unzähligen Plattformen der Gesellschaft ein Begriff sein. Wer kennt sie nicht, die nervige TV-Werbung von „wirkaufendeinauto.de“?

Diese Werbung hat sich zumindest bei mir so eingebrannt wie „Carglass repariert, Carglass tauscht aus“ oder „Seidenbacher Müsli…“. Hast Du jetzt einen Ohrwurm? Gern geschehen, das macht gutes Marketing aus!

Kein Start-up in Deutschland ist je so schnell so groß geworden, nicht einmal Zalando. In nicht einmal zehn Jahren vom kleinen Start-up zum Onlinehändler mit einer Bewertung von über 8 Milliarden Euro. Aber ist das alles durch das operative Wachstum auch gerechtfertigt?

Immerhin wurde in 2019 mit über 2 Millionen Kunden und 60.000 angeschlossenen Gebrauchtwagenhändlern ein stolzer Umsatz in Höhe von 3,5 Milliarden Euro generiert. Die Idee ist ja nicht neu, in den USA agiert seit vielen Jahren sehr erfolgreich das große Vorbild. Carvana hat seit Unternehmensgründung ein rasantes Wachstum hinter sich.

Wird Auto1 die Caravana aus Europa?

Alleine in den letzten drei Jahren hat sich das Unternehmen von zunächst 37 Standorten auf 270 Städte vergrößert. Die Marktkapitalisierung stieg an den US-Börsen von 2,7 Milliarden USD auf nunmehr fast 20 Milliarden USD. Kann es auch bei Auto1 so rasant voran gehen?

Durch den IPO fließen in die Unternehmenskasse und auf die Konten der Altaktionäre insgesamt rund 1,8 Milliarden Euro. Durch den IPO-Preis wurde der Gesellschaft ein Unternehmenswert von rund 8 Milliarden Euro zugebilligt.

Davon fließen allerdings nur rund 1 Milliarde Euro direkt in die Kassen des jungen Unternehmens, mit einem Viertel des Erlöses wird eine teure Wandelanleihe abgelöst, der Löwenanteil wird für weiteres Wachstum verwendet. Wir können uns also auf noch mehr TV-Werbung gefasst machen. Der Rest geht an die Altaktionäre wie zum Beispiel den japanischen Tech-Giganten Softbank.

Vergleiche ich die jetzige Bewertung mit Carvana aus den USA, die derzeit bei einer Marktkapitalisierung von rund 19,8 Milliarden US-Dollar mit dem rund 3,7-fachen des Umsatzes bewertet sind, dann ist das Kurspotenzial beim aktuellen Kurs nahezu ausgeschöpft. Bei den Kursen heute früh sogar einen Tick zu teuer.

Autokauf wird immer mehr ein Onlinegeschäft

Die Auto1 Group ist nach eigenen Angaben Europas führende digitale Automobilplattform für den Online-Kauf und -Verkauf von Gebrauchtwagen. In mehr als 30 Ländern sollen in 2019 über 615.000 Fahrzeuge über die Plattformen und Apps verkauft worden sein.

Gebrauchtwagen sind gerade in der aktuellen Pandemiezeit gefragter denn je. Kaum zu glauben, aber mit nur 2,92 Millionen verkauften Neuwagen ist 2020 das zweitschwächste Jahr in Deutschland seit der Wiedervereinigung.

Deutlich robuster zeigt sich dagegen der Gebrauchtwagenmarkt: Nach Daten der Deutsche Automobil Treuhand (DAT) schloss 2020 mit rund sieben Millionen Besitzumschreibungen nur knapp unter dem Vorjahreswert ab.

Auto1 konnte überraschenderweise allerdings in 2020 von dieser Entwicklung nicht profitieren und musste einen kleinen Rückgang hinnehmen, der aber in 2021 wieder deutlich ausgebügelt werden soll.

Millionenfache Datenanalyse ist der Gamechanger

Im Jahr 2019 hat die Gesellschaft laut dem Wertpapierprospekt rund 3,48 Milliarden Euro umgesetzt, das waren 21,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor. In den ersten neun Monaten 2020 ging der Umsatz allerdings aufgrund der Pandemie auf geschätzte auf 2,8 Milliarden Euro etwas zurück.

Fast 600 Euro Aufschlag konnte das Unternehmen je angekauftem Fahrzeug verdienen. Im Börsenprospekt habe ich hierzu einen sehr interessanten Punkt gefunden, wodurch sich erklären lässt, warum der Handel so gewinnbringend läuft.

Durch die Analyse von durchschnittlich mehr als fünf Millionen Datenpunkten pro Tag soll Auto1 gemäß dem Prospekt die größte Datenbank für den Gebrauchtwagenhandel in Europa vorzuweisen haben. Dadurch könnte die Genauigkeit von Preisen und Nachfrage verbessert werden, so heißt es.

Ob die Aktie nach dem rasanten Börsendebüt am frühen Morgen weitere Kurszuwächse einfahren kann, wird auch am Marktumfeld liegen. Beim aktuellen Kursniveau sehe ich das Papier derzeit fair bewertet. Sicherlich kann eine Übertreibung oder ein langfristiger Ausblick auch hier für eine Übertreibung sorgen.

An der jüngsten Finanzierungsrunde vor genau einem halben Jahr hatten sich Investoren noch zu einer Bewertung von rund 3 Milliarden Euro beteiligt. Im Nachhinein ein Schnäppchenpreis, weshalb auch deutliches Rückschlagspotenzial vorhanden ist!

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Interessenkonflikt: Autor, Herausgeber und Mitarbeiter halten selbstverständlich Aktien des besprochenen Unternehmens Auto1 Group. Somit besteht konkret und eindeutig ein Interessenkonflikt. Autor, Herausgeber und Mitarbeiter beabsichtigen, die Aktien – je nach Marktsituation auch kurzfristig – zu kaufen oder zu veräußern und könnten dabei von erhöhter Handelsliquidität profitieren.

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