Biotech-Aktien: Ist jetzt ein guter Kaufzeitpunkt?

Interview mit Profi
Gestern, 11:54 Uhr

Im Biotech-Sektor bläst Investoren seit kurzer Zeit der Wind ins Gesicht. Wie lange hält die Korrektur noch an? Und wann scheint hier wieder die Sonne?

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Trump startet ins Amt

Heute Abend ist es soweit: Der neue US-Präsident Donald Trump wird ins Amt eingeführt. Was könnte das für die weitere Entwicklung des Biotech-Sektors bedeuten? Sind die derzeit niedrigen Bewertungen vieler Aktien, insbesondere von Small Caps, eine gute Kaufchance?

Maximilian Ruth hat sich seit vielen Jahren auf den Biotech-Sektor spezialisiert. SD-Chefredakteur Frank Giarra hat mit dem Chefanalysten des exklusiven Anlegerzirkels No Brainer Club (NBC) darüber gesprochen, wie er die aktuelle Situation beurteilt und welche Schlüsse er daraus für seine eigenen Investments zieht.

Der Biotech-Bereich erlebt einen schleppenden Jahresstart. Überrascht Sie das?

Maximilian Ruth: Wir hätten sicherlich mit einer stärkeren Jahresauftakt-Performance gerechnet. Insbesondere war aus meiner Sicht der M&A-Auftakt in das Jahr deutlich vielversprechender als letztes Jahr. So kauft der Pharmagigant Johnson & Johnson das Biotech Intra-Cellular für 14,6 Milliarden US$. Das ist immerhin die größte Biotechtransaktion seit zweieinhalb Jahren.

Ein Aspekt, den der Markt bislang größtenteils wenig wertschätzt, aber der mehr und mehr an Gewicht erhält, sind selbstständige starke Vertriebe. So können Unternehmen wie Verona Pharma oder BridgeBio derzeit mit einem eigenständigen Vertrieb nach der FDA-Zulassung enorme Werte heben, die man den Firmen im Vorfeld kaum zugeschrieben hatte.

Auch wenn M&A weiterhin wichtig bleibt, es ist längst keine Notwendigkeit mehr, dass Firmen sich im Laufe des Prozesses zum Verkauf stellen müssen. Neuartige Technologien und Zugänge im Vertrieb ermöglichen es auch kleineren Firmen, stärkere Vertriebe aufzustellen.

Maximilian Ruth, Biotech-Profi und Chefanalyst des No Brainer Club.

Deshalb wird Kapital abgezogen

Warum wird derzeit anscheinend Kapital aus dem Sektor abgezogen?

Maximilian Ruth: Wir sehen hier zwei Gründe. Erstens sind viele Marktteilnehmer noch vorsichtig gestimmt. Viel (Negatives) wurde über das Personal von Trump im Gesundheitsbereich geschrieben und derzeit merkt man eine deutliche Verunsicherung im Sektor.

Wir glauben, dass sich dieser Druck im Anschluss an die Amtseinführung von Trump sowie dem Start der wirklichen Arbeit der Minister legen wird. Die letzten Mitteilungen und auch das Feedback vieler Pharma-CEOs auf Konferenzen zeichnen ein positiveres Bild, als man am Markt gewinnen könnte. Solche Situationen wie aktuell, wo Panik das Bild bestimmt, sind retroperspektiv oftmals gute Kaufgelegenheiten gewesen. Und genauso sehe ich die Situation diesmal auch.

Der zweite Aspekt ist eine enorme Schwäche in verschiedenen Subsektoren des Biotechsektors, beispielsweise im Gentech-Bereich, aber auch bei vielen Small-Cap-Aktien. Am Markt gehen hier einige Neuigkeiten um, dass mindestens ein größerer Hedgefonds im Bereich der Gentechnik den Betrieb einstellt, was zu Zwangsliquidierungen und einem Rollover-Effekt auf andere Titel führt. Dieser Effekt sollte aber alsbald abnehmen und den normalen Tradingalltag wieder zulassen.

Das ist von Trump zu erwarten

Heute wird US-Präsident Donald Trump ins Amt eingeführt. Was erwarten Sie von ihm?

Maximilian Ruth: Die Frage haben wir oft gestellt bekommen und sie ist schwierig zu beantworten. Im Wahlkampf spielte Healthcare im Vergleich zu vergangenen Wahlkämpfen eher eine untergeordnete Rolle.

Insgesamt muss Donald Trump aufpassen, dass er mit seinen Handlungen nicht selbst die Inflation anheizt. So führten seine Äußerungen um Zölle und Steuersenkungen bereits zu einem starken Anstieg der Verzinsung langlaufender US-Staatsanleihen. Zuletzt konnte sich diese Entwicklung wieder etwas abkühlen, aber es zeigt, wie sensibel der Markt auf die Äußerungen reagiert.

Insgesamt denke ich, dass wir eine Pro-Unternehmenssicht erleben werden. Dafür spricht auch die Nominierung des neuen FTC-Vorsitzenden (US-Kartellbehörde), die gerade in Gesundheitskreisen sehr positiv aufgenommen wurde. Zuletzt sorgte eine sehr restriktive Haltung unter Joe Biden dafür, dass große M&A-Deals am Markt fast zum Erliegen kamen. Eine entspanntere Politik wird den M&A-Markt deutlich fördern.

Wichtig wird aber sein, dass die Administration nun schnell ihre Arbeit aufnimmt und damit für alle sichtbar wird, wo die Reise hingehen wird. Allerdings wird es auch wie in der letzten Amtszeit einiges an Auf und Ab geben, getrieben von Äußerungen und Emotionen des US-Präsidenten.

Belebt sich der Sektor?

Was könnte jetzt für eine Belebung des Biotech-Sektors sorgen?

Maximilian Ruth: Ich glaube eigentlich, dass es dafür gar nicht viel braucht. Wir haben auch in den letzten Jahren bereits erlebt, dass sinkende Bewertungen für Biotechs schnell zu größeren M&A-Transaktionen geführt haben.

Der Biotech-Sektor ist ein Bereich, in dem oftmals auch das Zusammenspiel aus Shortsellern und langfristigen Aktionären eine Rolle spielt. Wenn Bewertungen sinken und günstiger werden, kommen beide Parteien ins Spiel. Shortseller, die ihre Positionen covern, also Aktien kaufen, sowie langfristige Aktionäre, die nun die Bewertungen als attraktiv erachten. Gleiches gilt dann für potenzielle M&A-Deals.

Breitflächige Korrekturen sind in der Regel gesund und der nächste Schritt nach oben. Das benötigt jedoch eine gute Emotionskontrolle und Handhabung. Auf der anderen Seite gehören solche Korrekturen aber oftmals dazu, um wirklich die Schnäppchen am Markt aufsammeln zu können.

„Wenn nicht jetzt kaufen, wann dann?“

Ist es für Anleger an der Zeit, sich zu positionieren, sprich Biotech-Aktien zu kaufen? Oder sollten sie besser noch abwarten?

Maximilian Ruth: Ich habe meine Liquidität in den letzten Tagen stark verringert und größere Aktienpositionen im Biotech-Sektor gekauft. Die Umkehr in den Staatsanleihezinsen sowie die extrem verringerten Bewertungen vieler Small-Cap Biotechs sind für mich ein Zeichen, dass der Boden näher ist, als wir denken.

Erste Gerüchte über weitere M&A-Deals machen die Runde. Am Freitag kamen erneut Gerüchte auf, dass der NASH-Spezialist Madrigal gekauft werden könnte und bereits in weiterführenden Verhandlungen steht.

Wenn ich nicht kaufe, wenn die Bewertungen am Boden liegen, wann soll ich dann kaufen?

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