Boeing-Aktie: Jetzt geht‘s ans Eingemachte

Am vergangenen Donnerstag gipfelte der monatelange Sinkflug der Boeing-Aktie (WKN: 850471) in einem neuen Jahres- und zugleich 12-Monatstief. Am Freitag legte das Papier des Luft- und Raumfahrtkonzerns allerdings um 3% zu. Gibt es Anzeichen von Hoffnung für den schwer angeschlagenen US-Traditionskonzern?

Ein heftiger Arbeitskampf

Hoffnung würde ich es nicht nennen, denn das Boeing-Management sieht sich gezwungen, angesichts der miserablen wirtschaftlichen Lage des Konzerns und des fortdauernden Streiks die Axt an die Belegschaft anzusetzen. Ende vergangener Woche kündigte die Unternehmensführung an, jede zehnte Stelle im Konzern zu streichen. In Summe wären das 17.000 Mitarbeiter.

Seit fünf Wochen tobt bei Boeing ein erbitterter Arbeitskampf. Trotz der schwierigen finanziellen Situation verlangt die Gewerkschaft eine satte Einkommenserhöhung von 40%. Hintergrund dieser extrem hohen Forderung ist die Tatsache, dass es in den vergangenen Jahren mehrfach Nulllohnrunden beim Flugzeugbauer gab. In Anbetracht der hohen Inflation in den letzten Monaten wollen sich die Gewerkschaft und ihre Mitglieder nicht mehr mit einem kleinen Gehaltsplus abspeisen lassen.

Boeing ist den Arbeitnehmervertretern weit entgegengekommen und hatte zuletzt ein Plus von 30% über eine Laufzeit von vier Jahren angeboten. Nachdem die Gewerkschaft dieses Angebot nicht akzeptierte, sah sich der Konzern nun offenbar zu drastischen Personalkürzungen gezwungen.

Die Streikkosten werden für Boeing in die Milliarden gegen. Der letzte große Arbeitsausstand im Jahr 2008 dauerte fast 60 Tage lang und kostete den Konzern schätzungsweise 2 Milliarden US$. Gut möglich, dass die Kosten diesmal höher liegen werden.

Die Produktion läuft nicht

Diese Kosten kann sich Boeing eigentlich überhaupt nicht leisten. Für das dritte Quartal erwartet der Luft- und Raumfahrtkonzern einen Umsatz von 17,8 Milliarden US$ und einen horrenden Verlust in Höhe von 9,97 US$ je Aktie. Analysten hatten mit 1 Milliarde US$ mehr Umsatz und einem deutlich geringeren Verlust gerechnet.

Vor allem die Sparte Verkehrsflugzeuge bereitet Boeing seit vielen Monaten üble Kopfschmerzen. Das so beliebte Modell 737 MAX darf aufgrund der zahlreichen Qualitätsmängel nur noch in geringen Stückzahlen gebaut werden. Und die Markteinführung des Langstreckenjets 777X verzögert sich auf 2026.

Fluglinien wie die Lufthansa warten seit Jahren auf die neue Maschine. Sie hätte bereits 2021 auf den Markt kommen sollen.

Im Abwärtssog

Charttechnisch ist bei der Boeing-Aktie derzeit kein Licht am Horizont zu sehen. Der Dow Jones-Titel befindet sich seit Jahresbeginn in einem massiven Abwärtstrend.

Bei knapp unter 150 US$ erwartet die Aktie eine leichte Unterstützung. Dass diese hält, ist allerdings eher unwahrscheinlich.

Wie tief fällt die Aktie noch?

Ratingagenturen und Banken sehen inzwischen die Gefahr, dass Boeing bald sein Investment-Grade-Rating verlieren könnte. Das würde die Finanzierungskosten für die Kredite von über 50 Milliarden US$ weiter verteuern.

Die Boeing-Aktie ist derzeit sowohl charttechnisch als auch fundamental massiv angeschlagen. Ich rate Anlegern deshalb kurzfristig die Füße still zu halten. Meiner Meinung nach wird die Boeing-Aktie in den kommenden Wochen ihren Sinkflug noch weiter fortsetzen. Solange der Streik nicht beendet und klar ist, welche Sonderbelastungen auf den Konzern zukommen, ist die Unsicherheit eines Investments zu groß.

Langfristig gesehen ist die Boeing-Aktie in meinen Augen aber immer noch ein attraktives Investment. Der einzige Wettbewerber Airbus schafft es derzeit nicht, die fehlenden Produktionskapazitäten von Boeing aufzufangen. Und auch der Newcomer Comac aus China wird noch sehr viele Jahre brauchen, um sich auf dem globalen Markt für Verkehrsflugzeuge zu etablieren.

Mein Rat an Anleger: Abwarten bis die Boeing-Aktie auf das 3-Jahrestief bei ca. 120 US$ fällt. Dieses hat sich in der Vergangenheit als enorm starker Support erwiesen.