Covestro: Greifen Anleger nach erstem Schock zurecht zu?
Nach einer Gewinnwarnung am späten Freitag ist die Aktie des Leverkusener Spezialchemiekonzerns Covestro (WKN: 606214) heute Morgen sehr schwach mit einem Kurs von 31,54 € gestartet. Aktuell hat sie das Minus aber fast wieder ausgeglichen und notiert bei 33,14 €. Offenbar haben Anleger die Chance gewittert, sich die Dividendenperle günstig zu schnappen. War oder ist das noch klug?
Covestro ist ein Werkstoffhersteller mit Sitz in Leverkusen. Das Unternehmen ist 2015 aus der ehemaligen Kunststoffsparte von Bayer hervorgegangen. Es entwickelt, produziert und vertreibt Polymer-Werkstoffe an etwa 50 Standorten in Europa, Asien und Amerika.
Aller schlechten Dinge sind zwei: Wie schon Anfang Mai hat Covestro erneut keine guten Nachrichten für Anteilseigner im Gepäck. Und wieder gibt die Aktie zunächst kräftig nach. Aktuell beläuft sich der Wertverlust seit Jahresbeginn auf -40%. Spaß mit einem Wertpapier geht anders.
Kosten für Energie explodieren
Was dem Kunststoffkonzern schwer zu schaffen macht, sind die hohen Kosten für Energie, speziell für Gas. Außerdem kalkuliert man die trüberen Konjunkturaussichten ein, hier insbesondere die zu befürchtende schwächere Nachfrage aus der Automobilbranche.
Schon im Mai hatte Vorstandschef Markus Steilemann die drastische Voraussage getroffen, die Energiekosten könnte in 2022 auf 2 Milliarden € steigen nach 1,2 Milliarden € im Vorjahr. Nachdem Gas nochmals teurer geworden ist, kalkuliert Covestro jetzt sogar auf Jahressicht mit Kosten von 2,2 Milliarden €.
Beim bereinigten operativen Gewinn (EBITDA) korrigiert das Unternehmen seine vorherige Prognose und rechnet nun in einer Spanne von 1,7 bis 2,2 Milliarden € nach zuvor 2 bis 2,5 Milliarden €. Das liegt auch deutlich unter den Konsensschätzungen der Analysten von im Schnitt 2,34 Milliarden €.
Der freie operative Cashflow soll sich nun nur noch in einer Spanne von 0 bis 500 Millionen € bewegen, zuvor waren es zwischen 400 und 900 Millionen €.
Pessimistische Prognose des Managements
Die pessimistische Prognose des Managements erstaunt umso mehr, als sich zum Beispiel der weltgrößte Chemiekonzern BASF erst vor einer Woche zuversichtlicher als zuvor gezeigt hatte. Und: Covestro hat im zweiten Quartal besser abgeschnitten als selbst erwartet. So wurde ein bereinigtes operatives Ergebnis von 547 Millionen € erzielt. Prognostiziert hatte man nur 430 bis 530 Millionen €.
Zur Erklärung heißt es, die Corona-Lockdowns in China und die damit verbundenen Logistikprobleme hätten sich schneller normalisiert als erwartet.
Bereits im ersten Quartal war ein operativer Gewinn von 806 Millionen € erzielt worden. Da hatten es die Leverkusener noch geschafft, die höheren Energiekosten zu 90% an ihre Kunden weiterzugeben. Finanzchef Thomas Toepfer war allerdings bereits davon ausgegangen, dass dies in der Zukunft so nicht mehr möglich sein würde. Das scheint sich jetzt zu bewahrheiten.
Die Aktie bleibt günstig bewertet
Was heißt das alles nun für Aktionäre? Aktuell wird das Unternehmen an der Börse nur noch mit 6,4 Milliarden € bewertet. Bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 3,9 ist das Papier also günstig.
Wenn man dann noch bedenkt, dass Covestro in der Vergangenheit ein guter Dividendenzahler war mit einer Ausschüttung von zuletzt 3,40 € je Aktie Ende April – woraus sich beim aktuellen Kurs eine Dividendenrendite von mehr als 10% ergibt – ist die Aktie meiner Meinung nach für langfristig orientierte Anleger ein klarer Kauf. Zumal auch noch ein Aktienrückkaufprogramm über insgesamt 500 Millionen € läuft.
Es bleibt natürlich das nicht gerade kleine Risiko, dass die Produktion des Werkstoffherstellers durch die Gas-Krise und erst recht bei gänzlich ausbleibenden Gas-Lieferungen aus Russland empfindlich gestört werden könnte.
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