Der Pleitegeier kreist: Steinhoff, Gerry Weber, Pantaflix, Sears, PG&E
Der Pleitegeier kreist schon wieder. In Deutschland bei Steinhoff (WKN: A14XB9) und Gerry Weber (WKN: 330410). In den USA bei Sears (WKN: A0D9H0) sowie dem Energieunternehmen Pacific Gas and Electric, kurz PG&E (WKN: 851962). Sind auch Wirecard (WKN: 747206) und Pantaflix (WKN: A12UPJ) gefährdet?
Auf den ersten Blick sieht es nach Einzelschicksalen aus, die augenscheinlich nichts miteinander zu tun haben. Doch es mehren sich Anzeichen, die erklären, warum plötzlich immer mehr Unternehmen die Segel streichen. Wir haben uns die jüngsten Schicksale einmal näher angesehen und gelangen so zu einer wesentlichen Erkenntnis, die für Anleger essentiell wichtig ist.
Die Abrechnung mit verstaubten Geschäftsmodellen: Gerry Weber laufen die jungen Kundinnen weg
Zunächst fällt auf, dass die meisten Pleiten von Unternehmen hingelegt werden, die über ein jahrzehntelanges, aber längst verstaubtes Image verfügen.
Bei Gerry Weber kaufen, entschuldigen Sie den Ausdruck, die "Dicken und die Witwen". In einem nicht repräsentativen Selbstversuch trafen wir eher Ü50 statt der abgezielten Ü35 Kundschaft an. In den Imagekampagnen ist, politisch korrekt, von reiferen Damen die Rede. Das Resultat bleibt dasselbe. Die jüngeren, modebewussten, aktiven Kundinnen flüchten zu internationalen Marken wie H&M, Uniqlo, Zara oder shoppen lieber gleich online.
Was übrig bleibt, ist ein übergroßes Filialnetz und Marken-Wirrwar, das nur in Deutschland für Tradition steht, aber im Ausland praktisch unbekannt ist.
Steinhoff-Konzern mit Problemen auch wegen Poco-Image?
Bei Steinhoff erinnern wir uns zuerst an die aggressive Werbung der Marke Poco, denen man nicht viel Positives nachsagt, außer eben "billig". Ein Schnellschuss bei Google brachte uns zu einer Plattform, in dem die Qualität diskutiert wurde.
Würden Sie Poco Möbel kaufen?
"Um Gottes Willen, nein! Ich würde dort GARNICHTS kaufen, nicht mal eine Decke für meine Katze oder so! Die Qualität ist miserabel, die Sachen sehen billig aus und von den Schadstoffen wollen wir mal gar nicht anfangen!", heißt es bei Mamiweb.de
Nun sind wir uns bewusst, dass das auch nur eine Einzelerfahrung ist, die keinesfalls repräsentativ sein muss.
Zahlreiche Zocker, die bei Steinhoff wohl um ihr investiertes Kapital bangen, haben vermutlich mehr Aktien im Depot als Möbel von Poco & Co zuhause.
Sears wäre immer noch eine tolle Aktie, wenn nicht...
Der US-Einzelhandelsriese Sears, die US-amerikanische Version von Karstadt, wurde zuletzt vom Onlineriesen Amazon.com an die Wand gespielt. Versagen im Management war außerdem ein Faktor. Statt die Stärken des eigenen Geschäftsmodells zu erkennen, wollten sich die überbezahlten Vorstände auf die Optimierung des Einzelhandels fokussieren.
Kaum jemand erinnert sich daran, dass Sears einst der Gründer von Allstate Insurance und von Discover Financial mit seiner Discover Card war. Die Discover-Aktie steht heute fünfmal höher als vor 10 Jahren.
Zudem gehörten eine Brokerfirma und ein Immobilienmakler zum Portfolio.
Viele Geschäftsmodelle, die Sears erfand und entwickelte, funktionieren heute noch blendend. Nur waren die Läden selbst kein Frequentierungsmagnet mehr für Kunden.
Amazon verdient mit seinem Einzelhandel schließlich auch kaum Geld, baute sich aber damit eine führende Marktposition auf, die man auch für andere Internet-Geschäftsmodelle nutzen kann.
PG&E-Aktie geht in Flammen auf, aber es gibt Funken von Hoffnung
Beim Gas- und Stromanbieter PG&E befinden wir uns nun schon zum zweiten Mal seit 2001 im "Chapter 11 Reorganisation".
Für den Schubs über die Klippe sorgten diesmal mehrere verheerende Waldbrände, die seit 2017 mehr als 10 Mrd. US$ Schäden verursachten und 44 Todesopfer forderten. In 11 dieser Brände wurden PG&E-Stromleitungen als Ursache für die Feuer verantwortlich gemacht. Zuletzt hatte ein Waldbrand auf einem kalifornischen Campingplatz, der ebenfalls mit einer Stromleitung von PG&E in Verbindung gebracht wurde, leider 86 Todesopfer gefordert und 14.000 Häuser zerstört. Die Schadenssumme, die von PG&E eingeklagt werden kann, wird auf 7 Mrd. US$ geschätzt.
Insgesamt beziffert PG&E die Summe aller Verbindlichkeiten auf mehr als 50 Mrd. US$. Diese Zahl übersteigt die Marktkapitalisierung von 6 Mrd. US$ um das mehr als Achtfache. Der operative Cash-Flow von zuletzt 6 Mrd. US$ im Jahr 2017 reicht gerade aus, um die Kapitalinvestitionen zu stemmen.
Doch die Angelegenheit ist ein hoch komplex gelagerter Fall. Wer wirklich die Verantwortung für Waldbrände trägt in einem permanent von Trockenheit bedrohten US-Staat wie Kalifornien, gilt mindestens als umstritten. Ein typischer Fall für unzählige Verhandlungen vor US-Gerichten.
Am Ende könnte das Unternehmen sogar wieder solvent aus der Angelegenheit hervorgehen.
Laut Spiegel Online beliefert das größte US-Energieunternehmen rund 5 Millionen Haushalte mit Strom sowie 4 Millionen Haushalte mit Erdgas.
"Langfristig sehen wir potenzielle Vorteile für die Aktionäre aus dem Chapter 11-Prozess", schreibt der Analyst von Morgan Stanley.
Hauptproblem ist dabei, dass der Staat die Tarife festsetzt und damit den Gewinn strikt limitiert, während die Verantwortung für alle potenziellen wirtschaftlichen Schäden auf das Unternehmen abgewälzt wird.
Eigentlich müsste entweder der Staat Kalifornien oder der Bund in die Presche springen oder die Kunden müssten wenigstens mit höheren Tarifen belegt werden dürfen.
Die Leidtragenden sind hier vielleicht zu Unrecht die Aktionäre?
Laut diesem Bericht des US-Wirtschaftsmagazins Barrons bestehen offenbar mehr als ein paar Funken Hoffnung für die Aktie.
Aktive Unterstützer finden die Aktionäre beim Hedgefonds Blue Mountain Capital LLC, der 0,8% der Aktien des Versorgers hält und sich zuletzt immer wieder für eine Restrukturierung ohne den Weg durch das Gläubigerschutzverfahren ausgesprochen hat.
Waghalsige Geschäftsmodelle haben in den letzten Jahren zu viel Kohle verbrannt
Im Zuge der weltweiten Überversorgung mit quasi Nullzinspapieren durch Zentralbanken nutzten findige Geschäftsleute eine historisch einmalige Sondersituation aus und kamen mit immer waghalsigeren Finanzierungsideen an den Markt.
Viele Zombie-Unternehmen mit angestaubten Geschäftsmodellen wie dem stationären Einzelhandel nutzten ebenfalls die übergünstigen Finanzierungsbedingungen und brechen, wie oben beschrieben, unter der Last ihrer Schulden ein, obwohl die Zinsen nicht einmal so stark gestiegen sind, wie das in einer wirklichen "Schrottanleihenkrise" traditionell geschieht.
Auch viele Startups entstanden zuletzt mit fragwürdigen Geschäftsmodellen, wie zum Beispiel Pantaflix, die völlig qualitätsfreie Inhalte vermarkten wollten und nun kurz vor dem Ende stehen könnten.
Rasantes Wachstum sorgt bislang nur selten für die erforderliche Profitabilität.
Selbst auf den ersten Blick erfolgreiche Geschäftsmodelle wie Uber oder andere "Service-Vermittler", die keine wirklichen Vorteile bringen, außer dass sie geringfügig bezahlte Jobs über ihre Plattform vermitteln, gab es zuletzt ohne Ende. Wobei bisher, außer ein paar Schulden, wenig Nachhaltiges erschaffen wurde, was wirklichen Applaus verdient.
Echte Turnaround Stories finden sich woanders
Die genannten Werte gehören unseres Erachtens eher zur Kategorie Zombie-Aktien. Am wahrscheinlichsten gehen die Kurse Richtung Null, als dass hier ein Phönix aus der Asche erwacht.
Gleichzeitig werden wirklich sinnvolle Aktien, die überlebensnotwendige Güter für die Menschheit herstellen und Geschäftsmodelle haben, die seit Jahrzehnten funktionieren, achtlos verkauft und massiv unter ihren Vermögens- und Liquidationswerten verramscht.
Überlegen wir nur einmal, wie viele tausend Arbeiter am Bau eines Ölbohrschiffs oder einer Pipeline beteiligt sind und wie günstig einige der Aktien aus dem Rohöl und Energie-Dienstleistungssektor zurzeit stehen, nur weil "harter Stahl" nicht hipp ist und Öl vielleicht die Tastatur der Krypto-Miner beschmutzen könnte.
Dabei wäre ohne Öl und andere Rohstoffe kein einziges kapitalzehrendes Online-Business möglich.
Alle Skandale werden zu einer Rückbesinnung auf echte Werte führen.
Wir rechnen damit, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren ganze Brigaden von solchen Unternehmen buchstäblich in Rauch aufgehen. Auch bei Wirecard könnte diese Prognose trotz aller Beschwichtigungen zutreffen, denn wirklich benötigt wird das Geschäftsmodell nicht und ich vertrete als Günther Goldherz hier meine persönliche Meinung, die darin besteht, dass es die Aktie niemals in den DAX30 hätte schaffen dürfen.
Hier haben die Regulatoren offenbar einmal mehr geschlafen.
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