Gold & Silber: Rücksetzer zum Kauf nutzen?

Blick auf Edelmetalle
11.11.24, 10:56

Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten boomen insbesondere der Bitcoin und der Krypto-Sektor. Aber was ist mit Gold, Silber, Öl und Rohstoffen? Bieten sich hier Investmentchancen?

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Von Allzeithoch zu Allzeithoch?

Schon vor der Wahl von Donald Trump notierten die US-Indizes auf hohen Niveaus, und nach der Entscheidung gehet die Rallye weiter. Börsenprofi Miriam Kraus blickt skeptisch auf diese Entwicklung und sieht Risiken.

Gleichzeitig erkennt die Spezialistin für Edelmetalle und Rohstoffe aber auch Chancen und benennt diese im Interview mit SD-Chefredakteur Frank Giarra.

Die US-Indizes notieren nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten auf Allzeithochniveaus. Halten Sie das für berechtigt?

Miriam Kraus: Nun, die Indizes waren schon im Vorfeld der US-Wahlen massiv überbewertet. Heute hat das inflationsbereinigte Shiller-KGV fast den zweithöchsten Stand der Geschichte erreicht. Der S&P 500 weist aktuell ein durchschnittliches KGV von 30,66 auf. Da stecken also schon sehr hohe Erwartungen dahinter, die vor allem auf der Hoffnung der Anleger beruhen, dass die versprochenen Steuersenkungen und eine Lockerung von Regulierungen die US-Wirtschaft ankurbeln werden.

Ob das allerdings tatsächlich passieren wird, ist äußerst fraglich. Zumindest nicht, ohne die Inflation anzuheizen. Doch der für die US-Wirtschaft überaus wichtige US-Konsument leidet schon jetzt massiv unter den hohen Preisen. Die Konsequenz daraus sehen wir an wachsenden Problemen im US-Immobilienmarkt und den hohen Ausfallraten bei US-Konsumschulden.

Die Preise werden steigen

Kommen nun noch die Handelszölle und zunehmende Handelsbeschränkungen hinzu, dürften die Preise tendenziell weiter ansteigen. Die Idee hinter der Agenda Donald Trumps ist es, mehr Industrie in den USA anzusiedeln. Die Wahrheit ist aber, dass es trotz Handelshemmnissen für viele Industrien nach wie vor günstiger wäre, im Ausland zu produzieren.

Nehmen wir an, ein US-Haushalt steht vor der Wahl, ein neues Küchengerät zu erstehen. Das Geld ist aufgrund der höheren Preise und der nach wie vor hohen Zinsen knapper. Kauft man nun die teure in den USA gefertigte Küchenmaschine für 900 US$ oder kauft man das chinesische Modell, das nach Zoll nun nicht mehr 100 US$, sondern 150 US$ kostet?

Hinzu kommt, dass viele Branchen in den USA über Fachkräftemangel klagen. Dabei wäre dies die Nische, in welcher die entwickelten Volkswirtschaften punkten müssten. Ich halte es nicht für sinnvoll, den Plan zu verfolgen, in den USA oder Mitteleuropa Branchen mit absoluten Niedriglohnjobs aufzubauen, denn diese werden im Wettbewerb mit den sich entwickelnden Volkswirtschaften immer den Kürzeren ziehen.

Außerdem benötigt der Aufbau neuer Industrien Zeit. Also selbst wenn die USA einen höheren Anteil der Fertigungskapazitäten etwa der Automobilindustrie ins Land holen könnten, so dauert der Aufbau dieser Kapazitäten Monaten bis Jahre. In der Zwischenzeit frisst sich die Inflation weiter durch das System.

Was macht dann die Fed mit ihren begonnenen Zinssenkungen? Führt sie diese weiter, heizt sie die Inflation weiter an. Aber der US-Konsument und ebenso der US-Bundeshaushalt brauchen niedrigere Zinsen dringend. Eine Erwartung, welche die Anleihenmärkte mit stark steigenden Renditen auf Staatsanleihen bereits einpreisen, was den Aktienmärkten noch bevor stehen wird.

Miriam Kraus Rohstoffe Goldherz Report

Miriam Kraus

Politische Börsen haben kurze Beine

Was können wir bis Jahresende noch erwarten an den Börsen?
Miriam Kraus: Ich besitze weder eine Glaskugel, noch kann ich in die Zukunft sehen. Aber ich habe die Allzeithochs für den S&P 500 auf wöchentlicher Basis untersucht. Langfristig betrachtet befinden wir uns derzeit in einer 46-wöchigen Sequenz, die Ende 2023 begann. Mit 46 Wochen liegt die aktuelle Serie genau im 50. Perzentil aller beobachteten Serien, die bis ins Jahr 1970 zurückreichen, was bedeutet, dass die historischen Chancen für eine Fortsetzung der Serie 50:50 betragen. Länger andauernde Sequenzen haben in der Vergangenheit aber zu einem durchschnittlichen maximalen Verlust von 24% geführt.

In der vergangenen Woche hat die politische Börse die Wahlen gewonnen, aber politische Börsen, so sagt man, haben in der Regel kurze Beine. Die nachlaufenden Zwölfmonatsmultiplikatoren (TTM) für den S&P 500 sind je nach genauer Methodik und Datenquelle im vergangenen Jahr um 15 bis 25% gestiegen und haben sich von Mitte der 20er auf fast 30 erhöht, was eine beachtliche Ausweitung der Multiplikatoren signalisiert.

In der Zwischenzeit hat der S&P 500 um etwa 40% zugelegt, was vereinfacht gesagt darauf hindeutet, dass das zugrundeliegende Gewinnwachstum bestenfalls im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich lag – die ungefähre multiplikative Differenz zwischen Indexgewinnen und Multiplikatorausweitung.

In den letzten 20 Jahren lag das durchschnittliche KGV des S&P 500 bei knapp 20, während er heute mit einem Aufschlag von 40% auf diesen Durchschnitt gehandelt wird, je nach genauer Methodik und Datenquelle. Meiner Ansicht nach sind diese Aufschläge nicht durch die reale Entwicklung gerechtfertigt.

Viele Rohstoff-Aktien sind am Freitag „verprügelt“ worden. Woran liegt das?
Miriam Kraus: Das kann ich so nicht ganz stehen lassen. Während die Aktien etwa von Gold-Majors und US-Ölinfrastrukturaktien nach Gewinnmitnahmen nachbörslich wieder gekauft wurden und die Woche zum Teil deutlich im Plus abschlossen, werden Basismetallaktien von der Volatilität an den Metallmärkten bestimmt.

Offenbar versuchen die Metallmärkte, eine Mischung aus Konjunktursorgen (negativ) und Inflationssorgen (positiv) einzupreisen. Auf der einen Seite stehen dabei nach wie vor Sorgen in Bezug darauf, ob das chinesische Konjunkturpaket es vermag, den chinesischen Konsum anzuheizen, auf der anderen Seite steht aber die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer steigenden Inflation in den USA. Eine steigende Inflation ist historisch bedingt ein außerordentlich starkes Umfeld für Rohstoffanlagen.

„Im Goldmarkt begrüße ich jeden Rücksetzer“

Gold und Silber legen jetzt anscheinend erstmal den Rückwärtsgang ein, oder täuscht das?
Miriam Kraus: Im Goldmarkt begrüße ich generell jeden Rücksetzer als gesund und eine Kaufgelegenheit. Zum einen, da der zugrundeliegende Unterstützungsfaktor, die Goldkauffreude der Zentralbanken, auch und gerade mit der neuen US-Regierung nicht nachlassen wird.

Zudem befindet sich die US-Notenbank in der Situation einer klassischen Schuldenfalle. Die US-Bundesverschuldung, die mit den Rettungsbemühungen nach der großen Finanzkrise 2008 zu steigen begann, ist mit den fiskalischen und geldpolitischen Reaktionen auf die Corona-Pandemie und dann den verzweifelten Bundesausgaben, mit denen die Regierung Biden ihre Wiederwahl zu sichern versuchte, regelrecht explodiert.

Dieser fiskalische Stimulus stand aber in direktem Gegensatz zur Geldpolitik, da die Fed versuchte, die Inflation mit starken Zinserhöhungen zu bekämpfen.

Dies ist eine klassische Schuldenfalle, in der die Fed die Zinsen senken muss, um das Kartenhaus aufrecht zu erhalten, während die Märkte die Zinsen und den Goldpreis in Anerkennung der inflationären Folgen nach oben treiben.

Keine der beiden Parteien hat diese Situation während des Wahlkampfs angesprochen und keine der beiden Parteien ist auch nur im Geringsten motiviert, etwas dagegen zu unternehmen. Und die kommenden versprochenen Steuergeschenke der Trump-Regierung werden die Schuldenlast noch weiter massiv explodieren lassen. Zudem zeigt die Vergangenheit: Wenn eine Partei in den USA sowohl die Kontrolle über das Weiße Haus als auch beide Häuser des Kongresses hat, wurde noch nie Ausgabenzurückhaltung propagiert.

Dies ist eine Wahrheit, die die Märkte meiner Meinung nach in Kürze erkennen werden. Somit ist jeder Rücksetzer im Gold eine sehr willkommene Gelegenheit.

Silber dagegen unterliegt natürlich auch den Faktoren der Basismetallmärkte, die ich oben schon angesprochen habe. Aber die positive fundamentale Ausgangslage für Silber ändert sich nicht. Im Silbermarkt besteht ein Angebotsdefizit, wobei die Nachfrage durch viele relativ konjunkturunabhängige Sektoren weiter angetrieben wird, unter anderem auch durch den Rüstungssektor. Aus Anlegersicht ist ein Rücksetzer im Silber ebenfalls interessant als Anlagemetall.

Welche Sektoren und Aktien erscheinen Ihnen momentan besonders vielversprechend?
Miriam Kraus: Gold und Edelmetalle sind für mich in Rücksetzern immer kaufenswert. Hinzu kommt, dass die Aussichten auf eine steigende Inflation in der Regel vor allem Rohstoffanlagen begünstigen, hier allen voran den Sektor Energie.

Untersuchungen zeigen, dass in der Regel 1 Prozentpunkt an Inflationsanstieg bei Energieanlagen eine Realrendite von 18% einbringt. Überdies sind viele Energieaktien aktuell günstig bewertet. Ich würde hier allerdings den Fokus auf Unternehmen mit hoher Lebensdauer der Reserven und hohem freiem Cashflow legen. Beispielsweise kanadische Ölsandproduzenten wie MEG Energy (WKN: A1C2FB) oder Athabasca Oil (WKN: A1JYFM).

Dies mag im Gegensatz stehen zu der allgemeinen Annahme, eine Trump-Präsidentschaft würde den US-Öl-Output massiv steigern, doch es ist aufgrund der natürlichen Voraussetzungen mehr als fraglich, ob dies überhaupt so umgesetzt werden kann von der US-Ölindustrie – zumal bei aktuellen Ölpreisen, da der Break-Even der US-Ölindustrie im Durchschnitt zwischen 65 und 70 US$ liegt.

Auf der anderen Seite bringt eine Trump-Regierung mit dem erklärten Willen zur Unterstützung fossiler Energien mehr Planungssicherheit für Energieinfrastrukturunternehmen und könnte die Investitionen in neue Pipelines unterstützen. Im Rohstoff Anleger Club (RAC) haben sich unsere Energieinfrastrukturinvestments in den letzten Wochen stark entwickelt und gerade in der letzten Woche noch einmal allesamt einen Sprung nach oben gemacht.
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