JD.com: Die wahre Amazon Chinas!

Marc Rendenbach
09.04.19

Alibaba wird ja immer gerne als die Amazon Chinas bezeichnet. Dies halte ich persönlich für nicht ganz korrekt. Denn Alibaba betreibt in erster Linie zwei Marktplätze, nämlich die gleichnamige B2B-Handelsplattform Alibaba.com sowie das Online-Auktionshaus Taobao. Inzwischen sind noch einige andere Geschäftsbereiche wie die Alibaba Cloud oder der Payment-Service AliPay entstanden. Grundsätzlich hätte man Alibaba jedoch zunächst eher als eine Mischung aus Ariba und eBay charakterisieren müssen. Daher halte ich JD.com (WKN: A112ST) viel eher für die Amazon Chinas!

Dies gilt umso mehr, da JD.com den geschäftlichen Werdegang von Amazon.com in der Tat wirklich nahezu eins-zu-eins kopiert. So hat man mit JD.com eine Handelsplattform, die jener von Amazon.com sehr ähnelt. Den internationalen Markt bedient der Konzern übrigens auch, hierfür gibt es jedoch die Plattform joybuy.com. Ursprünglich hatte Gründer Richard Liu übrigens einen ganz anderen Plan. Denn als er die heutige JD.com im Jahr 1998 unter dem Namen JD Multimedia gründete, sah er sich eher auf den Spuren von MediaSaturn, der heutigen CECONOMY.

Denn Liu mietete im Juni 1998 ein erstes Ladengeschäft in Peking. Bis 2003 wuchs sein junges Unternehmen dann schon auf 12 Geschäfte. Wegen der damaligen SARS-Epidemie sah er sich jedoch gezwungen die Ladenlokale vorübergehend zu schließen, wodurch seine noch junge Gesellschaft quasi vor dem Aus stand. Aus der Not machte Liu daher eine Tugend und verlegte seine Geschäfte ins Internet. 2004 eröffnete er daher sein eCommerce-Business unter jdlaser.com, aus der dann kurze Zeit später JD.com wurde.

JD.com auf den Spuren von Amazon – aber zum Teil auch Amazon schon voraus!

Anfangs wurden über JD.com nur Elektroprodukte verkauft, was ein klarer Unterschied zu Amazon.com ist. Denn Jeff Bezos begann bekanntlich mit Büchern. 2010 öffnete JD.com dann seinen Online-Marktplatz. 2016 kam es dann zu einer Partnerschaft zwischen JD.com und dem US-amerikanischen Einzelhandelsgiganten Walmart. Im Zuge dieser Partnerschaft verkaufte Walmart seine Online-Handelsplattform Yihaodian gegen 5% des Aktienkapitals an JD.com. Ebenfalls im Jahr 2016 wurden dann von JD.com erstmals Waren per Drohnen ausgeliefert.

Während sich das Unternehmen generell eher auf den Spuren von Amazon.com befindet – so investiert JD.com bspw. sehr stark in seine Logistikzentren in China – hat man mit dieser Auslieferung via Drohnen das US-Pendant ein wenig hinter sich lassen können. 2017 folgte dann der Einstieg ins Luxussegment durch Investments in die Online-Handelsplattform Farfetch sowie die Erweiterung des eigenen Marktplatzes um Toplife, einem Online-Shop für hochpreisige Luxusgüter. Ebenfalls 2017 stieg man dann in den Lebensmitteleinzelhandel ein.

Dazu wurde der erste Supermarkt unter dem Markennamen 7Fresh in Peking geöffnet. Auch hier war man wieder schneller als Amazon.com. Denn die Amerikaner stiegen erst Mitte des Jahres 2017 durch die Übernahme von Whole Foods Market in dieses Marktsegment ein. Im Jahr 2018 löste JD.com sein mit dem deutschen Versandhändler Otto betriebenes Joint Venture unter dem Namen Zitra auf. Zudem konnte man den Einstieg von Alphabet (Google) bekanntgeben, wobei Alphabet für knapp 1% des Aktienkapitals 550 Mio. US-Dollar auf den Tisch legte.

Starke Bilanz, hervorragende Wachstumsraten – aber noch keine Gewinne...

Schauen wir uns mal an, was Alphabet für seine 550 Mio. US-Dollar bekommen hat. Schon ein kurzer Blick in die Bilanz ergibt, dass diese sehr solide ausschaut. So verfügte JD.com per Ende 2018 alleine über umgerechnet rund 5 Mrd. US-Dollar an Cash/Cash-äquivalenten Mitteln. Insgesamt verfügt der Konzern über Assets im Volumen von umgerechnet knapp 30 Mrd. US-Dollar. Dem gegenüber stehen Schulden in Höhe von umgerechnet ca. 19 Mrd. US-Dollar. Die Gesellschaft ist also netto schuldenfrei.

Zugleich gelang es CEO Richard Liu den Jahresumsatz allein zwischen 2015 und 2017 mehr als zu verdoppeln. Von 2015 bis 2018 betrug das Umsatzwachstum sogar rund +155,2% respektive ca. +36,65% p.a. Allerdings hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren noch nie profitabel gearbeitet. Am nächsten dran an schwarzen Zahlen war man noch im Geschäftsjahr 2017, als der Nettoverlust bei umgerechnet „nur“ knapp 23 Mio. US-Dollar. Dennoch wurden die Verluste seit 2015, wenngleich unter starken Schwankungen, deutlich reduziert.

Lag der Nettoverlust in 2015 noch bei umgerechnet ca. 1,36 Mrd. US-Dollar, waren es im vergangenen Jahr 2018 weniger als 400 Mio. US-Dollar. Der Break-even kommt also langsam in Sicht, was sehr positiv zu bewerten ist. Ebenfalls interessant erscheint mir der Fakt, dass Alphabet (Google) beim damaligen Einstieg noch einen Börsenwert von 55 Mrd. US-Dollar akzeptiert hat, dieser derzeit jedoch mit gut 44 Mrd. US-Dollar rund 20% niedriger ist. Wer daher jetzt in diese Aktie einsteigt, kauft 20% günstiger als Alphabet (Google).

Fazit: Um 30,00 US-Dollar zugreifen mit Mindest-Kursziel 35,00 US-Dollar

Ein Jahresumsatz von zuletzt umgerechnet knapp 69 Mrd. US-Dollar, der zudem zuletzt immer noch mit ca. +27,5% wuchs, wird aktuell nur mit einem Börsenwert von rund 44 Mrd. US-Dollar belegt. Damit liegt das aktuelle KUV bei ca. 0,65. Ein aktuelles KGV gibt es ja leider noch nicht. Bei Amazon.com liegt das aktuelle KUV übrigens bei ca. 3,90 und somit ziemlich genau sechs Mal so hoch. Allerdings ist Amazon.com auch der weltweite Marktführer im eCommerce sowie bereits profitabel. Allerdings liegt Amazon.com beim Jahresumsatz nur mit dem Faktor 3,38 vorne.

Darüber hinaus war zumindest im Geschäftsjahr 2018 das Umsatzwachstum bei Amazon.com mit ca. +30,9% einen Tick besser als bei JD.com mit ca. +27,5%. Andererseits schaffte JD.com dieses Wachstum in einer durch den Handelskonflikt USA/China belasteten und somit fast schon rezessiven chinesischen Wirtschaft. Meines Erachtens hat Amazon.com zwar einen gewissen Bewertungsaufschlag gegenüber JD.com verdient. Dieses sollte aber deutlich niedriger als den Faktor 6 betragen.

Allerdings kann eine Anpassung der Bewertung natürlich auf zwei Arten verfolgen: Entweder die Aktie von Amazon.com fällt oder das Papier von JD.com steigt. Ich habe jedoch an dieser Stelle erst kürzlich die Aktie von Amazon.com analysiert und sah diese nicht unbedingt als stark absturzgefährdet an. Vor diesem Hintergrund ist ein Kursanstieg der Aktie von JD.com wahrscheinlicher. Mein Kursziel für den Titel liegt daher bei kurzfristig 35,00 US-Dollar, mittelfristig 42,00 US-Dollar sowie längerfristig bis zu 50,00 US-Dollar.

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