MorphoSys: Riesenenttäuschung – wer wusste da mehr?
Zu den größten Verlierern am deutschen Aktienmarkt zählte heute früh das Papier des Biotechnologieunternehmens MorphoSys (WKN: 663200). Grund hierfür ist eine bereits gestern, am späten Abend, veröffentlichte Ad hoc-Meldung, wonach das Unternehmen sich mit seinen beiden Partnern Novartis und Galapagos darauf geeinigt habe die klinischen Studien am Entwicklungsprogramm MOR106 zur Behandlung von atopischer Dermatitis vorzeitig einzustellen.
Der Grund für diese Entscheidung war, dass eine nutzenbasierte Zwischenanalyse ("interim analysis for futility") der Phase 2-Studie IGUANA nur eine geringe Wahrscheinlichkeit ergab, dass die laufende klinische Studie den primären Endpunkt, definiert als eine prozentuale Änderung des Bereichs und des Schweregrads des Ekzems ("eczema area and severity index", kurz: EASI), erreichen wird.
Die gemeinsame Entscheidung basierte somit auf einer mangelnden Wirksamkeit und keinesfalls aus Sicherheitsbedenken, wie MorphoSys betonte. Dies ist letztlich jedoch die schlechtere Variante. Denn während man Sicherheitsbedenken, beispielsweise durch eine geringere Dosierung, durchaus noch ausräumen kann, ist eine mangelnde Wirksamkeit natürlich das endgültige Aus für ein solches Programm.
MorphoSys-Aktie unter Abgabedruck – wer wusste da im Vorfeld mehr?
Aufgrund dieses Fehlschlags gerät die Aktie der Martinsrieder heute natürlich unter deutlichen Abgabedruck. Allerdings halten sich die Kursverluste, angesichts der negativen Nachricht, noch in einem überschaubaren Rahmen. Dies könnte auch damit zusammen hängen, dass die Aktie bereits in den vergangenen Tagen recht schwach unterwegs war. Dies war auch deshalb besonders auffällig, weil die Biotechaktien in den USA zuletzt eher eine gewisse Stärke zeigten.
Insofern kann man sich schon die Frage stellen, wer hier im Vorfeld vielleicht schon mehr wusste. Leider kommen solche Dinge am deutschen Aktienmarkt immer wieder vor, was zeigt wie schlecht der Anlegerschutz hierzulande ist. In den USA dagegen passiert so etwas deutlich seltener. Insbesondere auch deshalb, weil die SEC in der Vergangenheit gegen solche Fälle rigoros vorgegangen ist. So sitzt dort nicht nur ein Großbetrüger wie Bernie Maddoff in Haft.
Einstellung von MOR106 unschön, aber kein Beinbruch
Doch lamentieren hilft hier wenig. Schauen wir uns daher lieber gemeinsam an, wie sich die Einstellung der Forschungsarbeiten an MOR106 gegen atopische Dermatitis auf das Unternehmen auswirken wird. Nun, einerseits gehen MorphoSys dadurch natürlich entsprechende Meilensteinzahlungen sowie später Tantiemen verloren. Andererseits jedoch fallen nun auch Forschungskosten weg. Generell war MOR106 zwar kein unwichtiges Programm, der Erfolg der Gesellschaft hängt aber letztlich doch an anderen Medikamenten-Kandidaten.
So zum Einen natürlich am bereits auf den Markt gebrachten Tremfya (Guselkumab) gegen Schuppenflechte, bei dem man mit dem Partner Janssen an einer sogenannten Labelausweitung arbeitet sowie zum Anderen in allererster Linie natürlich am Medikamenten-Kandidaten MOR208 (Tafasitamab) gegen Blutkrebs. Sollte insbesondere das letztgenannte Blutkrebsmedikament durchfallen, würde sich die Aktie wohl kurzfristig halbieren.
Fazit: Die Aktie war, ist und bleibt eine heiße Spekulation!
Grundsätzlich sollten sich Investoren im Biotechsektor immer, neben den sicherlich vorhandenen großen Chancen, auch die hohen Risiken bewusst machen. So wie sich Aktien bei Forschungserfolgen kurz-, mittel sowie langfristig vervielfachen können, können sie sich bei großen Misserfolgen eben auch mal an einem Tag halbieren. Wer nicht bereit ist solche Risiken in Kauf zu nehmen, sollte den Sektor meiden oder breit gestreut via ETFs, Fonds respektive die Aktie von BB Biotech investieren.
Insofern sind diese "bad news" von MorphoSys nichts besonderes, sondern durchaus normal. Nicht ganz normal war jedoch die Kursentwicklung im Vorfeld dieser News, die ich ja schon eingangs thematisiert und kritisiert habe. Zumal mir die Kursentwicklung der Aktie zuletzt generell ein wenig Bauchschmerzen bereitet. So zeigte sich die Aktie nämlich schon im Rahmen des Wechsels auf der Position des Vorstandschefs – der Mitgründer und langjährige CEO Dr. Simon Moroney verabschiedete sich zum 1. September 2019 in den wohlverdienten Ruhestand – relativ schwach.
Entweder haben daher einige Anleger Angst vor schlechten Nachrichten zu MOR208 – oder aber einige wissen auch hier schon mehr. Vor diesem Hintergrund beurteile ich die Aktie, die in meinen Augen bisher zusammen mit Evotec die beste deutsche Biotechaktie war, nun deutlich skeptischer. Sicherlich muss man nicht in die heutigen Kursverluste hinein verkaufen. Sollte es jedoch in den kommenden Tagen zu einer Gegenbewegung, sprich: Kurserholung, kommen, würde ich diese zumindest zur Reduktion bestehender Positionen nutzen!