Profi-Tipp: Raus aus Tech-Titeln und hier rein!
Der Nasdaq 100 kennt weiter kein Halten und notiert dicht unter seinem Allzeithoch von 20.017 Punkten. In der ersten Jahreshälfte hat er schon wieder um knapp +19% zugelegt. Viele Anleger, die Tech-Titel lieben, wird das hier überraschen: Bekanntlich soll man eine Party verlassen, wenn es am schönsten ist! Börsenprofi Miriam Kraus, Chefanalystin des Rohstoff Anleger Club, sieht jedenfalls alle Anzeichen einer gewaltigen Blase, die schon in Kürze platzen könnte. Warum das so ist und wohin Anleger jetzt ihr Kapital umschichten sollten, wenn sie sichere Renditen erzielen wollen, verrät sie heute im Interview.
Neue Allzeithochs in Gold und Silber voraus
Die Preise für Edelmetalle stagnieren derzeit. Glauben Sie noch an neue Allzeithochs bei Gold und Silber in diesem Jahr?
Miriam Kraus: Es wird neue Allzeithochs im Gold und Silber geben und ich persönlich gehe davon aus, dass das noch in diesem Jahr der Fall sein wird. Die weltweiten Zentralbanken haben ihre Goldkäufe seit 2022 verdoppelt, und der Anstieg der Zentralbanknachfrage wird sich fortsetzen. Die BRICS-Länder und andere Schwellenländer-Zentralbanken sind in diesem Zusammenhang die treibenden Kräfte, da sie ihre Devisenreserven weg vom US$ diversifizieren.
China beispielsweise hat seit 2022 – als das Land begann, seine Goldreserven auch offiziell massiv aufzustocken – US-Staatsanleihen im Wert von fast 300 Milliarden US$ verkauft. Der Bestand an US-Schatzpapieren beläuft sich nun auf 770 Milliarden US$. Im Verhältnis zu den Devisenreserven sind Chinas Staatsanleihen auf 32% gesunken, während seine Goldbestände auf einen Höchststand von fast 5% gestiegen sind. Dabei war China noch Jahr 2010 mit 1,2 Billionen. US$ der weltweit größte Besitzer von US-Staatsanleihen. Die Federal Reserve stand damals mit 1,1 Billionen US$ nur an zweiter Stelle. Der Trend weg vom Dollar läuft schon seit Jahren.
Geopolitische Risiken
Doch die geopolitischen Risiken, die sich aus den Sanktionen der westlichen Regierungen gegen Russland ergeben, bieten nun nicht nur für China, sondern für sämtliche nicht zur westlichen Hemisphäre zählenden Staaten bzw. Notenbanken ein starkes Motiv für die Diversifizierung ihrer Devisenreserven in die einzig verfügbare Sicherheit: Gold. Die politische Entscheidung der Zentralbanken, die Goldbestände ohne Rücksicht auf die Wertentwicklung zu erhöhen, wird den Goldpreis auch weiter auf neue Höchststände steigen lassen.
Hier könnten sich auch die kommenden US-Präsidentschaftswahlen als weiterer Trigger entpuppen, wenn mit Donald Trump ein starker Unsicherheitsfaktor das Ruder übernimmt.
Kann man nicht grundsätzlich viel mehr Rendite erzielen, wenn man in Tech-Titel investiert anstatt in Edelmetalle und Rohstoffe?
Miriam Kraus: Technologieaktien zeigen alle Anzeichen einer gewaltigen Blase. Nasdaq und S&P 500 werden fast ausschließlich durch die Performance von einer Handvoll Aktien getrieben, wobei sich Tesla ja bereits von den Glorreichen Sieben verabschiedet hat.
Beide Indizes werden nur noch von drei Aktien mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt fast 9,5 Billionen US$ (Nvidia, Apple und Microsoft) beherrscht sowie von drei weiteren Aktien mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt 5,5 Billionen US$ (Amazon, Alphabet und Meta). Diese sechs Aktien haben zusammen eine Marktkapitalisierung von 15 Billionen US$. Zum Vergleich: Das entspricht fast dem Vierfachen des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands.
Alle 503 Aktien im S&P 500 haben zusammen eine Marktkapitalisierung von etwa 45 Billionen US$. Ohne diese sechs Werte hätte der „S&P 497“ eine Marktkapitalisierung von gerade einmal 30 Billionen US$. Der gesamte Markt lebt und stirbt mit diesen sechs Titeln. Man muss sich das so vorstellen: Ein Fonds, der den S&P 500 abbildet, hat ein ganzes Drittel seiner Bestände in nur sechs Aktien. Von Diversifizierung – wie eigentlich in einem breiten Aktienindex zu erwarten wäre – kann hier keine Rede mehr sein. Dieses enorme Klumpenrisiko ist gefährlich. Wenn diese Schwergewichte anfangen zu wackeln, dann stürzt der ganze Turm ein, was einen verheerenden Crash nach sich ziehen wird.
Die Gefahren des KI-Hypes
Meines Erachtens nach vernachlässigt der KI-Hype, der vor allem Nvidia, aber generell den Sektor und auch die übrigen Schwergewichte mittreibt, zudem einige fundamentale Analysekriterien. Denn bislang ist kaum klar, wie eigentlich der Weg zur tatsächlichen Steigerung der Einnahmen bei den die KI einsetzenden Unternehmen funktionieren soll. Wenn die Industrie die Antwort auf diese Frage noch länger schuldig bleibt, dürfte die KI-Geschichte in einigen Monaten zunehmend Risse bekommen.
Zudem bezweifle ich auch stark, dass die KI die Bewertung von Unternehmen, die diese Technologie einsetzen, steigern wird, da jegliche Effizienzgewinne mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Konkurrenz verdrängt werden. Überdies sind Modelle, die auf der Grundlage historischer Daten trainiert werden, kaum in der Lage, die wertvollsten Fähigkeiten des Menschen zu replizieren. Von den hohen Kosten will ich gar nicht erst anfangen.
Alles in allem kann ich nur sagen: Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass sich Blasen langsam aufbauen und das Ende einer Blase vom Timing her seriös kaum prognostizierbar ist. Aber wenn eine Blase platzt, dann passiert das schnell und heftig. Mir sind Technologie-Investitionen vor diesem Hintergrund aktuell zu heiß. Da ziehe ich aus vielen Gründen die unterbewerte Frische der Rohstoffmärkte vor.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage im Energiesektor?
Miriam Kraus: Aktuell stellt sich an den Märkten die Frage nach dem Angebot: Kann die US-Produktion noch ausgeweitet werden? Wird die OPEC einen Teil ihrer freiwilligen Förderkürzungen zurückziehen? Ich persönlich halte die Nachfrageentwicklung für wichtiger, die meist von EIA, IEA und sogar OPEC vielfach unterschätzt wird. Denn die US-Produktion ist schlicht preissensitiv und die OPEC wird alles dafür tun, um eine komfortable Untergrenze in den Ölpreisen bei 80 bis 85 US$ aufrecht zu erhalten.
Bei Betrachtung der globalen Ölbestände inklusive der Bestände auf See wird deutlich, dass die weltweiten Ölvorräte noch immer auf dem niedrigsten Niveau der letzten fünf Jahre liegen. Und den jüngsten Aufbau der US-Vorräte, die damit immer noch auf dem zweitniedrigsten Niveau seit 2020 und deutlich unter dem 5-Jahres-Durchschnitt liegen, muss man auch im Kontext des Aufbaus der Strategischen Reserve betrachten, welcher in Anbetracht des Wahljahres für die US-Präsidentschaft und im Vorfeld der Summer Driving Season in den USA enorm wichtig ist.
Starke Nachfrage und Angebot defizitär
Mit anderen Worten: Die globale Nachfrage ist stärker als von vielen erwartet und die von der OPEC+ ergriffenen Maßnahmen werden dafür sorgen, dass der Markt für den Rest des Jahres defizitär bleibt, was die Ölpreise während der Nachfragespitzen in den Sommermonaten stützen dürfte. Danach wird man sehen, wie die OPEC+ weiter vorgeht. Es ist allerdings wenig vorstellbar, dass die OPEC+ seit Monaten verbissen ein Preislevel verteidigt, nur um das dann einfach wieder aufzugeben.
Von vielen Marktteilnehmern unbeachtet haben die europäischen Erdgaspreise vom Tief Ende Februar um fast 50% angezogen. Ausschlaggebend dafür sind mehrere Versorgungsprobleme, neben den laufenden Wartungsarbeiten in Norwegen. Wichtiger aber ist die wachsende asiatische LNG-Nachfrage. Und zurecht wachsen die Bedenken hinsichtlich der verbleibenden russischen Pipelineströme in die EU, insbesondere die nach Österreich.
Außerdem dürften die russischen Pipeline-Lieferungen in die EU über die Ukraine Ende dieses Jahres eingestellt werden. Die Ukraine hat schon längst deutlich gemacht, dass sie nicht die Absicht hat, eine Transitvereinbarung mit Gazprom zu verlängern. Dies würde den Verlust von rund 15 Milliarden Kubikmeter Gas bedeuten, was etwa 5% der gesamten EU-Einfuhren entspricht. Ab Ende 2024 soll jedoch eine große Menge an neuen LNG-Lieferkapazitäten in Betrieb genommen werden, vor allem aus den USA. Dies dürfte dazu führen, dass auch die US-Erdgaspreise der Erholung der europäischen Preise schließlich folgen können.
Value-Titel im Energie-Sektor
Gibt es hier spezielle Aktien, die Sie empfehlen können?
Miriam Kraus: Aus Bewertungssicht ist der gesamte Energie-Sektor mit einem durchschnittlichen KGV von 7 noch immer eine Investition wert, obwohl die Bewertungen damit nicht mehr ganz so tief liegen wie im vergangenen Jahr.
Doch der Sektor ist voll von echten Value-Titeln, die nicht nur mit einer geringen Bewertung trotz starker Cashflows glänzen, sondern auch noch mit hohen Dividendenrenditen locken. Ich empfehle hier auch einen Blick auf Energie-Infrastruktur-Unternehmen.
Wenn Sie die Wahl hätten: Welche Aktie würden Sie jetzt auf jeden Fall kaufen?
Miriam Kraus: Glücklicherweise habe ich ja die Wahl. Und diese fällt ganz klar auf eine Petrobras, die mit 6,5 Milliarden US$ an freiem Cashflow im 1. Quartal, einem KGV von 4 und 13% Dividendenrendite überzeugt – die übertriebene Angst vor der Lula-Regierung teile ich in diesem Zusammenhang nicht.
Auch im Gold- und Silberbereich haben die Schwergewichte wie Newmont oder Barrick Gold noch so einiges zu bieten, wobei meine Wahl hier aufgrund des stärkeren organischen Wachstums auf Barrick fällt. Und Kupfer-Titel werden mit dem Ende der Konsolidierung wieder spannend, wobei wir im Rohstoff Anleger Club mit Minas Buenaventura schon einen adretten Gewinn von +117% mitgenommen haben. Wir haben aber noch deutlich chancenreichere Titel im Depot. Dennoch lohnt sich hier auch ein Blick auf größere Unternehmen.
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Interessenkonflikt: Mitarbeiter des Herausgebers sowie der Herausgeber selbst halten Aktien des besprochenen Unternehmens Abitibi Metals. Somit besteht konkret und eindeutig ein Interessenkonflikt. Autor und Herausgeber beabsichtigen, die Aktien – je nach Marktsituation auch kurzfristig – zu kaufen oder zu veräußern und könnten dabei von erhöhter Handelsliquidität profitieren. Ein weiterer erheblicher Interessenkonflikt besteht darin, dass der Herausgeber für seine Berichterstattung über Abitibi Metals vom Unternehmen vergütet wurde.