Siemens Energy greift durch – was das für Anleger heißt

18.05.22

Nachdem Siemens Energy (WKN: ENER6Y) von der spanischen Windkrafttochter Gamesa zum vierten Mal in Folge die Quartalszahlen verhagelt wurden, macht der Mutterkonzern ernst: Das Unternehmen hat am Vormittag Pläne für eine Komplettübernahme der Spanier bestätigt. Die Gamesa-Aktie legt zweistellig zu, der Siemens-Energy-Titel steigt um +2,6% auf 17,23 €. Wird das Unternehmen seine defizitäre Windkraft-Einheit so noch retten können?

Die in München ansässige Siemens Energy AG ist ein Strom- und Gaskonzern im Bereich der konventionellen und erneuerbaren Energien. Das Unternehmen hält zwei Drittel der Anteile an Siemens Gamesa Renewable Energy, die 2017 durch die Fusion des damaligen Siemens-Windkraftbereichs und der spanischen Gamesa Corporación entstand. An der Börse ist Siemens Energy derzeit 14 Milliarden € wert.

Pläne für Gamesa-Übernahme bestätigt

Für Anleger kommt es einer Erlösung gleich: Nach monatelangen Spekulationen hat Siemens Energy Überlegungen über eine mögliche Komplettübernahme der Windkrafttochter am Mittwochvormittag bestätigt. Damit kommentierte das Unternehmen Gerüchte, die wenige Stunden zuvor wieder aufgekocht waren.

An der Börse führten die Vorgänge zu Tumulten: Die Gamesa-Aktien hatten bereits vorbörslich zweistellig an Wert zugelegt. Nach dem offiziellen Kommentar von Siemens Energy lag das Plus bei 12%, bevor der Handel mit den Papieren der spanischen Tochter schließlich ausgesetzt wurde.

Der Siemens-Energy-Titel legte im frühen Handel um +4% zu und war zwischenzeitlich damit größter MDAX-Gewinner. Am Mittag lag das Tagesplus bei 2,6% und der Kurs bei 17,23 €.

Wie der Münchener Energietechnikkonzern mitteilte, erwägt das Management für die restlichen Anteile von Gamesa ein Kaufangebot in bar. Im Anschluss könnte die Tochtergesellschaft dann von der Börse genommen werden. Es sei jedoch noch keine Entscheidung getroffen worden. Ebenso sei ungewiss, ob ein entsprechender Deal zustande kommen könnte, hieß es.

Gamesa zwingt Mutterkonzern erneut zur Prognosekorrektur

Ende Januar hatte die Nachrichtenagentur Reuters erstmals berichtet, dass der Mutterkonzern die vollständige Übernahme der defizitären Tochter tatsächlich in Erwägung ziehe. Nachdem Gamesa zuletzt das vierte Mal in Folge das Quartalsergebnis für Siemens Energy verdorben hatte, war das Maß für die Münchener offenbar voll.

So musste der MDAX-Konzern aufgrund der dritten Gewinnwarnung der Spanier in neun Monaten seine bisherige Prognose für das Geschäftsjahr 2021/22 (per Ende September) eindampfen. „Die Entwicklung von Siemens Gamesa ist erneut enttäuschend und belastet Siemens Energy schwer“, sagte Siemens-Energy-CEO Christian Bruch. Die Situation habe sich demnach seit der letzten Gewinnwarnung „weiter verschärft“.

Dabei hatte sich das Geschäft der Münchener, das sich auf Kohle- und Gaskraftwerke sowie Turbinen konzentriert, zwischen Januar und März solide entwickelt. Trotz Problemen in den Lieferketten verbesserte sich im zweiten Geschäftsquartal (per Ende März) im Kerngeschäft das angepasste EBITA vor Sondereffekten um +42%. Das Neugeschäft legte um +29% zu und führte zu einem Rekordauftragsbestand von 56,6 Milliarden €.

Nettoergebnisziel schon vor drei Wochen einkassiert

Letztlich drückte Gamesa den Münchener Mutterkonzern jedoch deutlich in die roten Zahlen. Wie Siemens Energy bereits im vergangenen Monat im Rahmen vorläufiger Ergebnisse bekanntgab, erlitt das Unternehmen in den drei Monaten einen Nettoverlust von 252 Millionen €. Im Vorjahreszeitraum verbuchte der MDAX-Konzern noch einen Überschuss von 31 Millionen €.

Das bis Ende September laufende Geschäftsjahr wird nun voraussichtlich mit einem Verlust auf Vorjahresniveau abgeschlossen. 2020/21 waren die Münchener unter dem Strich bei einem Minus von 560 Millionen € gelandet, ursprünglich sollte in diesem Jahr eine sehr starke Verbesserung hin zu schwarzen Zahlen gelingen.

Späte Einsicht

Etwa eine Woche vor den ersten Gerüchten über eine mögliche Übernahme hatten wir bereits insistiert, dass der Vorstand für einen Turnaround „das unrentable Eigenleben der Spanier bald beenden“ sollte.

Um die Schwierigkeiten bei Gamesa in den Griff zu bekommen, hatte Siemens-Energy-Chef Christian Bruch vor wenigen Monaten jedoch zunächst den als Sanierer bekannten Siemens-Manager Jochen Eickholt als neuen CEO zu den Spaniern entsandt.

Auch wenn die Rentabilitätssituation in der Windkraftbranche zurzeit mies ist, musste Eickholt nach wenigen Wochen einräumen, dass die Probleme beim Onshore-Spezialisten vor allem hausgemacht sind. Damit ist offenbar auch in München die Erkenntnis gereift, dass eine Komplettübernahme der konsequenteste Weg ist, um wirklich durchzugreifen und das Geschäft der Spanier effektiv umzustrukturieren.

Jetzt müssen Taten folgen

Die Europäische Kommission ist derweil fest entschlossen, ihre neuen Klimaziele zu erreichen, wofür laut Branchenverband Wind Europe in den nächsten 10 Jahren 450 Gigawatt an neuen Windkraftkapazitäten erforderlich wären. Aktuell kommen jährlich jedoch gerade einmal 15 Gigawatt hinzu.

Um von diesem enormen Aufwärtspotenzial profitieren zu können, muss Siemens Energy den Worten nun auch Taten folgen lassen. Auch wenn schon viel Anlegervertrauen verspielt wurde, kommt die Einsicht beim Vorstand wahrscheinlich noch rechtzeitig.

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