TUI: Macht die Leinen los

Marco Messina
14.09.20

Der Reiseveranstalter TUI (WKN: TUAG00) will mit seiner Kreuzfahrtflotte schneller als erwartet in See stechen. Bereits ab dem Frühjahr 2021 sollen alle sieben Schiffe wieder die weltweiten Häfen anlaufen. Die Zeit drängt, denn die Anleihegläubiger haben die prekäre Lage der Gesellschaft gerade gnadenlos ausgenutzt.


Die Pandemie trifft die Reisebranche und vor allem auch die Kreuzfahrtgesellschaften hart. Viele Gesellschaften haben ihre Geisterschiffe mit einer Minibesatzung derzeit im Ärmelkanal vor der Küste Südenglands oder an anderen Orten vor Anker gelegt, um die teuren Liegegebühren in den Häfen zu sparen.

Hörst Du Aussagen aus der Chefetage des Reisekonzerns aus Hannover, dann könntest Du fast glauben, dass wir bereits in 2021 wieder ein nahezu normales Reiseverhalten insbesondere bei den Hauptkunden des Unternehmens sehen werden. Die Meldungen aus den einzelnen Ländern zeigen dagegen derzeit ein ganz anderes Bild.

Bereits im Frühjahr 2021 soll, wenn es nach dem TUI-Management geht, wieder die gesamte "Mein Schiff"-Flotte die Häfen ihrer Routen anlaufen. Die Schiffe sollen zwar nicht voll besetzt sein, aber gerne mit dir als Gast, vorausgesetzt Du hast einen negativen COVID-19-Test im Gepäck.

Darüber hinaus sollen die Kanaren der lukrative Winter-Hot-Spot 2020/2021 für viele urlaubsreife Deutsche und Engländer werden. Ob diese Planungen bei den derzeitigen Entwicklungen auch in einigen Wochen noch haltbar sein werden?
Oder dient diese Zuversicht eher nur der Außendarstellung, um an weitere Kohle zu kommen? Die Hannoveraner locken derzeit mit satten Frühbucherrabatten für den Urlaub in 2021. Mein Stammhotel in Spanien gibt es derzeit in der Hauptsaison 2021 satte 30 Prozent günstiger als in den letzten Jahren.

In Anbetracht der wirtschaftlichen Lage und Hiobsbotschaften wie den Stellenabbau bei Schaeffler oder MAN, wage ich zu bezweifeln, ob die Deutschen in diesem Winter wirklich ihr sauer verdientes Geld für den lang ersehnten Urlaub in der Sonne ausgeben werden oder es vielleicht doch lieber erst einmal etwas beisammenhalten. Wer möchte schon eine Reise buchen, die er dann nicht antreten kann und dann monatelang hinter seinem Geld herrennen?

Rettung teuer erkauft

Das Unternehmen hat mittlerweile alles in die Wege geleitet, um die überlebenswichtigen zusätzlichen 1,2 Milliarden Euro KFW-Kredit erhalten zu können. Diese finanzielle Rettung wurde aber teuer erkauft. Die Tui-Gläubiger einer 300 Millionen Euro schweren Unternehmensanleihe haben ihre Zustimmung zu wichtigen Änderungen an den Anleihebedingungen an einen deftigen Zinssatz gebunden.

Damit das Unternehmen sich von der KFW noch einmal 1,2 Milliarden Euro und damit dann insgesamt 3 Milliarden Euro pumpen kann, mussten die Anleihebedingungen geändert werden. Die Gläubiger haben einen für das Unternehmen harten Deal ausgehandelt.

Damit die Begrenzung der Finanzschulden ausgesetzt werden darf, muss TUI zukünftig anstatt 2,125 Prozent Zinsen nun satte 9,5 Prozent zahlen. Der erste Zahltag ist bereits der 26. Oktober, an dem dann nahezu 30 Millionen Euro an die Gläubiger fließen. Im ersten Halbjahr 2020 betrug der Umsatz des Unternehmens gerade einmal 75 Millionen Euro!

Weiterhin verpflichtet sich der Reiseveranstalter ab April 2021, alle drei Monate zusätzlich 2 Prozent des Gesamtnennbetrages der Anleihe zu zahlen. Wohlgemerkt, alles für eine Anleihe, die eh in einem Jahr, nämlich im Oktober 2021, fällig ist.

Garniert wurden diese Horrorbedingungen noch mit 3.000 Euro Signing Fee je 100.000 Euro Nennwert für die Zustimmung. Wenn das keine Knebelkonditionen sind, was dann? Interessant wäre zu erfahren, welche Gläubiger von dieser Neuregelung besonders profitieren. Vielleicht die Großaktionäre, die bisher zur Rettung keinen Cent dazubezahlt haben? Eine Sondertilgung der Anleihe wäre möglich gewesen, ist aber bisher nicht genutzt worden. Diese hätte doch sicherlich noch irgendwie Platz gefunden.

Die zusätzlichen 1,2 Milliarden Euro dienen überwiegend dazu, die touristische Wintersaison 2020/2021 abzusichern. Sollte das Geschäft aufgrund weiter bestehender Reiserestriktionen nicht anlaufen und die Kunden mit Vorauszahlungen für Reisebuchungen 2021 vorsichtig agieren, dann sind in wenigen Monaten weitere Aufnahmen von Fremdkapital nicht ausgeschlossen.

Es ist weiterhin Vorsicht geboten. Trader nutzen die derzeitige Volatilität in der Aktie. Langfristig orientierte Anleger sollten weiterhin abwarten.

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