United Internet: Alle raten zum Kauf, aber...
Ebenfalls ein Überlebender des Neuen Marktes ist United Internet (WKN: 508903). Zur Zeit des Neuen Marktes firmierte die Gesellschaft jedoch noch unter dem Namen 1&1 Internet. Inzwischen ist 1&1 jedoch nur noch eine Tochtergesellschaft eines ganzen Internet-Konglomerats. Geführt aber wird das Unternehmen damals wie heute von Gründer, Großaktionär und CEO Ralph Dommermuth. Daher nennen nicht wenige Börsianer ihn gerne "den deutschen Bill Gates".
Dabei haben Ralph Dommermuth und Bill Gates gar nicht so viel gemeinsam. Denn während Bill Gates seinerzeit sein Studium abbrach, um mit einem Betriebssystem für Personal Computer die Welt zu verändern, schloss der Westerwälder Junge Dommermuth seine Ausbildung bei der Deutschen Bank in seinem Heimatort Montabaur im Jahr 1983 ab und begann anschließend als Mitarbeiter im Vertrieb eines ortsansässigen PC-Händlers.
Außerdem erkannte Ralph Dommermuth die Möglichkeiten, die das in den 1990er Jahren neu aufkommende Internet bot und gründete daher schon im Jahr 1988 die 1&1 EDV Marketing GmbH, wohingegen Bill Gates dieses neue Internet als "unproduktiv" ablehnte. Allerdings muss man Gates zugute halten, dass er quasi jeden Fehler – und so auch diesen – schnell selbst korrigierte. Was seine Fehleinschätzung des Internets anging, führte dies jedoch beinahe sogar zum Ende von Microsoft.
Während Microsoft Netscape niederrang, begann der Aufstieg von United Internet
So drängte Microsoft seinerzeit den Marktführer im Bereich der Internet Browser, Netscape, mit so aggressiven Methoden vom Markt, dass ein sogenanntes Antitrust-Verfahren gegen den Konzern eingeleitet wurde. Die juristische Abwehr dieses Verfahren sorgte dafür, dass Microsoft jahrelang dem Zug hinterher lief. Am Ende aber konnte man die mögliche Aufspaltung gerade noch verhindern, was sicherlich essentiell für den heutigen Erfolg war.
Etwa zur gleichen Zeit erlebte die damalige 1&1 Internet und ihr Mastermind Ralph Dommermuth zunächst den Aufstieg sowie später den Fall des Neuen Marktes. Auch die 1&1 Internet-Aktie geriet dabei, im Zuge des Platzens der Spekulationsblase, unter die Räder. Allerdings hatte Dommermuth die Einnahmen aus dem Börsengang nicht – wie viele andere am Neuen Markt – sinnlos für (zu) teure Akquisitionen verjubelt, so dass er sich in einer recht komfortablen Situation befand.
Diese Situation nutzte er daher aus, firmierte die 1&1 Internet in die Holding United Internet um und kaufte erst jetzt, zu den deutlich niedrigeren Kursen, gezielt ein. So gehören zu United Internet inzwischen beispielsweise die Marken 1&1 Drillisch, 1&1 Versatel, GMX, Web.de, Mail.com, United Internet Media, 1&1 Ionos, Strato, Arsys, Home.pl, World4You, Fasthosts, InterNetX, United-Domains sowie Sedo.
Darüber hinaus hält die Gesellschaft Beteiligungen an Tele Columbus (25,1% des Aktienkapitals), ePages (aus der Intershop Communications hervorgegangen, knapp 25% der Anteile), Rocket Internet (nach ursprünglich 10,7% inzwischen nur noch 8,3% des Aktienkapitals) sowie Awin (früher: Affilinet; 20% der Anteile, die restlichen ca. 80% der Anteile hält Axel Springer). Man kann also, so glaube ich, mit Fug und Recht von einem Internet-Konglomerat sprechen. Oder?
Umsatz- und Gewinnentwicklung zuletzt...
Ein Blick in die Bilanz zeigt, dass der Konzern seine Verbindlichkeiten von 2014 bis 2018 um fast +50%, von damals 2,5 auf zuletzt 3,7 Mrd. Euro erhöhte. Das Geld wurde jedoch weiterhin geradezu mustergültig ins weitere Wachstum investiert. Sollte Dommermuth mit 1&1 Drillisch erfolgreich eine 5G-Lizenz ersteigern, dürften die Schulden übrigens kurzfristig durchaus noch weiter steigen. Dennoch sehe ich in der Verschuldung bisher nicht den Hauch einer Existenzgefährdung. Als ehemaliger Banker weiß Dommermuth wohl was er tut!
Doch schauen wir uns das Wachstum mal an. So steigerte der Konzern von 2014 bis 2018 seinen Jahresumsatz von 3,1 auf über 5,1 Mrd. Euro und somit um ca. +65% respektive ca. 13,3% p.a. Deutlich weniger erfolgreich sah es jedoch ergebnisseitig aus. So fiel der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) zwischen 2014 und 2016 sukzessive um mehr als ein Drittel, von 604,1 auf 393,5 Mio. Euro. Im Jahr 2017 kam es dann zwar zu einem Gewinnsprung um ca. +137% auf 931,8 Mio. Euro, ehe es 2018 schon wieder deutlich mauer aussah.
Auf Basis des unternehmenseigenen Ausblicks für 2019e erwartet man im bereits laufenden Geschäftsjahr einen Jahresumsatz von knapp 5,34 Mrd. Euro (ca. +4%) sowie ein EBITDA von knapp 1,3 Mrd. Euro und damit wohl ein EBIT leicht unterhalb von 850 Mio. Euro. Somit ergibt sich ein aktuelles KUV von ca. 1,39 sowie ein aktuelles KGV von knapp 15. Für 2019e jedoch sinkt das KUV 2019e dann auf ca. 1,34 sowie das KGV 2019e auf unter 14. Dies halte ich nicht für zu hoch.
Fazit: Die Aktie birgt gleich zwei Risiken!
Gerade aktuell haben die Analysten von Goldman Sachs die Aktie auf "Neutral" bestätigt, zugleich jedoch das Kursziel leicht von 42,00 auf 43,00 Euro angehoben. Generell sind jedoch fast alle Analysten und auch sonstige Börsenexperten – wie bspw. Fondsmanager Prof. Max Otte – sehr bullish für den Titel. So haben beispielsweise die Analysten aus dem Hause Barclays ihre Einschätzung kürzlich mit "Overweight" und Kursziel 65,00 Euro bestätigt. Wenn jedoch (fast) alle bullish gestimmt sind, ist das aus Sicht des Sentiments eher ein Warnzeichen.
Zumal auch die 5G-Auktion immer noch nicht beendet ist und die Gebote schon jetzt höher liegen als ursprünglich erwartet. Insofern stellt sich natürlich die Frage nach dem Limit, dass sich 1&1 Drillisch gesetzt hat. Dieses scheint derzeit knapp unterhalb von einer Milliarde Euro zu liegen. Sollte man damit am Ende zum Zuge kommen, folgen jedoch weitere Investitionen in den notwendigen Netzaufbau.
Nicht umsonst hat die Gesellschaft ja bereits angekündigt, im Falle eines Falles die Dividende von eigentlich geplanten 0,90 Euro auf nur noch symbolische 0,05 Euro je Aktie abzusenken. Dabei wären ja selbst die sonst anvisierten 0,90 Euro je Aktie schon eine leichte Dividendenabsenkung gegenüber den im Vorjahr gezahlten 0,95 Euro je Aktie gewesen. Aber gut, das – so denke ich – hätten die Aktionäre (Großaktionär Ralph Dommermuth hält ja 40% des Aktienkapitals selbst) wohl noch verschmerzt.
Grundsätzlich bin ich mittel- bis langfristig ein Fan von Herrn Dommermuth und seinem Unternehmen. Ich glaube daher auch, dass ihm der Aufbau eines eigenen 5G-Netzes gelingen dürfte. Kurzfristig birgt dieses Vorhaben jedoch Risiken und alles was mit Unsicherheit zu tun hat, mögen Börsianer nicht. Daher könnte ich mir durchaus auch nochmal etwas tiefere Kurse bei der Aktie vorstellen. Optimalerweise kauft man die Aktie daher an schwachen Tagen und somit um 32,50 Euro mit einem Kursziel (auf Sicht von 12-18 Monaten) von bis zu 50,00 Euro!