Vergiftete Stimmung bei Envio
Der Dortmunder Umwelt-Dienstleister Envio befindet sich in Erklärungsnot. Wie sich herausstellte, kam es bei einer Kehrprobe durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz zu erhöhten Werten an Polychlorierten Biphenylen (PCB) und anderen gesundheitsgefährdenden Substanzen. Die Konsequenz: Die komplette Betriebsstätte am Dortmunder Hafen wurde seitens der Bezirksregierung Arnsberg vorerst stillgelegt. Besonders pikant: Die Unternehmensführung wies Gerüchte um erhöhte PCB-Werte mehrfach ausdrücklich zurück. So hieß es beispielweise, man würde die zulässigen Grenzwerte sogar deutlich unterschreiten. Nun habe man für die erhöhten Werte "noch keine Erklärung".
Der Schock sitzt jetzt umso tiefer - insbesondere bei den Anlegern. Noch Mitte Mai meldete Envio überraschend gute Zahlen für das erste Quartal dieses Jahres. Der Umsatz wurde gegenüber dem Vorjahr um mehr als das Dreifache auf 6,22 Millionen Euro gesteigert, das operative Ergebnis gar um das Vierfache auf 1,63 Millionen Euro. Die hohe Umsatzrendite, ein gutes Polster an liquiden Mitteln, welches eine weitere Wachstumsfinanzierung aus dem Cash Flow ermöglicht sowie ein offensichtlich gut angelaufenes Geschäft in Südkorea erfreuten die Aktionäre, von denen die beiden Vorstände der Envio AG übrigens die mit riesigem Abstand größten sind.
Nun aber fiel der Kurs der Envio-Papier wie ein Stein vom Himmel. Bei rund 4,50 Euro stand er noch vor einigen Wochen, jetzt ist er deutlich unter die 2-Euro-Marke gerauscht. Objektiv gesehen ist Envio mit einer Marktkapitalisierung von aktuell etwa 13 Millionen Euro angesichts der letzten Zahlen um mindestens 60-80% zu niedrig bewertet. Ohne die Unsicherheit bezüglich der vorübergehenden Betriebsstilllegung wohlgemerkt. Was letztere schlussendlich für das Unternehmen bedeutet, bleibt abzuwarten. Eine Insolvenz wird völlig ausgeschlossen, hieß es aus Unternehmenskreisen. Bußgelder oder Schadenersatzforderungen sind wahrscheinlich, dürften aber in einem überschaubaren Rahmen bleiben und für die Firma keine ernsthafte Gefährdung darstellen. Vielmehr kommt es darauf an, wie schnell der Betrieb auf dem Dortmunder Hafengelände wieder aufgenommen werden kann. Reinigungsarbeiten, welche die schädlichen Stoffe auf dem betroffenen Gelände beseitigen sollen, wurden bereits durchgeführt. Nach einer erneuten Messung und anschließenden Auswertung könnte der Betrieb wieder sofort aufgenommen werden.
Wir gehen davon aus, dass die Envio AG in Kürze ausführlich zu dem Vorfall Stellung nehmen wird. Für Anleger dürfte vor allem von Interesse sein, inwieweit der Vorstand das Geschäft durch den unterbrochenen Betrieb beeinträchtigt sieht. Fakt ist, Envio betreibt seit letztem Jahr eine Niederlassung in Südkorea, deren Geschäft nun bereits wesentlich zum Umsatz und Ertrag der Gruppe beitragen soll. Hier sei laut Vorstandschef Dr. Dirk Neupert sogar mit einer EBIT-Marge von deutlich über 30% zu rechnen. Unklar ist zudem, ob auch der Geschäftsbereich Biogas von der vorübergehenden Betriebsstillegung betroffen ist. So ist das Envio-Papier aus unserer Sicht eine attraktive Spekulation mit hoher kurzfristiger Renditechance, aber auch entsprechend hohem Risiko.
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