Wirecard: Die schlimmste Zeit scheint wohl überstanden
Die Aktie des DAX-Neulings Wirecard (WKN: 747206), einem deutschen Payment-Dienstleister, stand in den letzten Monaten unter erheblichem Abgabedruck. Aus meiner Sicht gab es hierfür zwei Gründe: Erstens war die Aktie wegen Spekulationen über eine DAX-Aufnahme (die sich letztlich bestätigten) kurzfristig (zu) heiß gelaufen. Zum anderen attackierte die britische "Financial Times" das Unternehmen und unterstellte ihm sogar Bilanzmauscheleien.
Letztlich führten diese Unterstellungen, die sich nur zu einem ganz geringen Teil bestätigten, zu einem Kurssturz, von dem einige Shortseller massiv profitieren konnten. Der Streit zwischen den britischen Journalisten, in erster Linie Dan McCrum, und dem Unternehmen spitzte sich dabei derartig zu, dass sogar die BaFin einschritt. Denn diese sah die Integrität des deutschen Kapitalmarkts in Gefahr und verhängte ein Leerverkaufsverbot über die Aktien von Wirecard.
Kürzlich wurde dann bekannt, dass sich die japanische Softbank bei Wirecard einkaufen möchte, was in der Folge auch relativ zügig geschah. Allerdings lehnte Wirecard eine Kapitalerhöhung, die Softbank einen günstigen Einstieg ermöglicht hätte ab, weil man derzeit über genug Kapital verfüge und daher kein frisches Geld aufnehmen wolle. Aus Sicht der Aktionäre ein cleverer Schachzug, weil so eine Verwässerung ihrer Beteiligung vermieden wurde.
Wirecard scheint nur ein gravierendes Problem zu haben: die Transparenz
Zwar laufen aktuell noch immer Ermittlungen gegen Wirecard in Asien, vermutlich werden jedoch auch diese keine weiteren negativen Erkenntnisse bringen. Bleibt es daher bei den bis dato aufgedeckten kleinen Verfehlungen, muss sich Dan McCrum und die "Financial Times" vorwerfen lassen, dass sie mit ihren Angriffen auf Unternehmen und Management weit übers Ziel hinaus geschossen sind. In der Tat sollten die Behörden dann vielleicht mal gegen Herrn McCrum ermitteln. Denn da es nicht seine erste solche Attacke auf Wirecard war, wirkt sein Vorgehen mindestens dubios.
Ganz frei von Schuld ist Wirecard in meinen Augen allerdings trotzdem nicht. Dabei meine ich damit weniger kleinere Fehler in der Bilanz, die inzwischen korrigiert sind. Allerdings fehlte und fehlt es bei Wirecard einfach an Transparenz. So wurde das Unternehmen schon in der Vergangenheit oft für seine Undurchsichtigkeit kritisiert, die einfach gegeben ist. Darüber hinaus waren jedoch die von Herrn McCrum aufgegriffenen Vorwürfe dem Management lange bekannt und hätten daher auch durch das Management frühzeitig veröffentlicht gehört.
Hätte Wirecard hier gegenüber seinen Aktionären, denen letztlich ja das Unternehmen gehört, von Anfang an mit offenen Karten gespielt, so hätte Herr McCrum und die "Financial Times" gar keine Ansatzpunkte für eine solche Schmutzkampagne gehabt. Die Veröffentlichung rund um den Softbank Deal lassen jedoch befürchten, dass die Verantwortlichen im Hause Wirecard noch nicht wirklich aus den Vorfällen gelernt haben, denn auch hier war die Transparenz eher mangelhaft. Obwohl sowohl der Einstieg von Softbank als auch wie dieser erfolgte positiv zu bewerten ist.
Fundamental fairer Wert zwischen 160,00 und 175,00 Euro, kommt das Kaufsignal?
Bereits vor einigen Wochen habe ich an dieser Stelle hier auf sharedeals eine große Analyse der Aktie der Wirecard verfasst. Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass der fundamental faire Wert des Titels – sofern es keine neuen Vorwürfe gibt bzw. sich die bisher erhobenen Vorwürfe nicht weiter bestätigen – zwischen 160,00 und 175,00 Euro liegt. Zuletzt war es in London (dort lebt und arbeitet Herr McCrum) jedoch erstaunlich ruhig, so dass die Sache für Wirecard wohl tatsächlich endgültig ausgestanden zu sein scheint.
Wer die Aktie kauft, sollte wissen, dass es in der Vergangenheit bereits zu mehreren Short-Attacken, keinesfalls nur durch Herrn McCrum, kam und es sich somit um einen spekulativen Wert handelt. Daran ändert auch die Aufnahme in den DAX nichts. Wer jedoch mutig genug ist und eine zwischenzeitlich erhöhte Volatilität aushalten kann, kann sich die Aktie spätestens jetzt ins Depot packen. Denn nach der erfolgten "Korrektur" verfügt sie nun wieder über entsprechendes Kurspotenzial.
Konkret lässt sich, aus charttechnischer Sicht, formulieren: Gelingt der Aktie von Wirecard der nachhaltige Sprung über die runde Marke von 140,00 Euro, wird hier ein charttechnisches Kaufsignal mit Kursziel zwischen 165,00 und 170,00 Euro erzeugt. Dieses Kursziel läge somit ziemlich genau in der Mitte der Range, die ich schon in der eben thematisierte großen Analyse der Aktie vor wenigen Wochen genannt hatte, nämlich zwischen 160,00 und 175,00 Euro. Für Wirecard und seine Anteilseigner scheint die schlimmste Zeit daher bald überstanden.